Buchzusammenfassung: To A Thousand Generations

Buchzusammenfassung: To A Thousand Generations

Tilmann Oestreich, 23.01.2019

Dies ist eine Zusammenfassung des Buches To A Thousand Generations[1] von Douglas Wilson. Die Zusammenfassung habe ich im April 2011 geschrieben und jetzt hier auf der Seite veröffentlicht.

Das Buch stellt die reformierte Position der Kindertaufe dar. Die Argumentation halte ich persönlich für gut und schlüssig. Ein erstes Bild kann man sich anhand meiner stichpunktartigen Zusammenfassung machen. Dabei folgt diese der Kapiteleinteilung des Buches.

Die zitierten Bibelstellen habe ich der Elberfelder Bibel 2003 entnommen​[2].

Kinder von Gläubigen Eltern sind Teilhaber am Königreich Gottes

Diese in der Überschrift ausgedrückte Wahrheit wird in der Bibel eindeutig gelehrt. Die Verheißungen des Neuen Bundes schließen die Kinder der Gläubigen explizit mit ein:

Und sie werden mein Volk, und ich werde ihr Gott sein. Und ich werde ihnen ein Herz und einen Weg geben, damit sie mich fürchten alle Tage, ihnen und ihren Kindern nach ihnen zum Guten. Und ich werde einen ewigen Bund mit ihnen schließen, dass ich nicht von ihnen lassen werde, ihnen Gutes zu tun; und ich werde meine Furcht in ihr Herz legen, damit sie nicht von mir abweichen.

— Jeremia 32,38-30

Und ich – dies ist mein Bund mit ihnen, spricht der Herr: Mein Geist, der auf dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, werden nicht aus deinem Mund weichen noch aus dem Mund deiner Nachkommen, noch aus dem Mund der Nachkommen deiner Nachkommen, spricht der Herr, von nun an bis in Ewigkeit.

— Jesaja 59,21

Und mein Knecht David wird König über sie sein, und sie werden allesamt einen Hirten haben; und sie werden in meinen Rechten wandeln und meine Satzungen bewahren und sie tun. Und sie werden in dem Land wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, worin eure Väter gewohnt haben; und sie werden darin wohnen, sie und ihre Kinder und ihre Kindeskinder, bis in Ewigkeit; und mein Knecht David wird ihr Fürst sein in Ewigkeit. Und ich werde einen Bund des Friedens mit ihnen schließen, ein ewiger Bund wird es mit ihnen sein; und ich werde sie einsetzen und sie vermehren und werde mein Heiligtum in ihre Mitte setzen in Ewigkeit. Und meine Wohnung wird über ihnen sein; und ich werde ihr Gott, und sie werden mein Volk sein.

— Hesekiel 37,24-27

Die Güte des Herrn aber ist von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskinder hin für die, die seinen Bund halten und sich an seine Vorschriften erinnern, um sie zu tun.

— Psalm 103,17-18

Wir sehen das auch bei Maria, die in ihrem Loblied (Lk 1,46-55) Psalm 103 zitiert. Offensichtlich geht sie nicht davon aus, dass mit ihrem Sohn die Verheißungen abreißen!

In Apostelgeschichte 2,39 lesen wir die Pfingstpredigt von Petrus. Wie haben die Juden des ersten Jahrhunderts diese verstanden? Es wäre für sie eine unverständliche Lehre, dass Kinder von Gläubigen nun plötzlich vom Bund ausgeschlossen sind, bis sie durch eigenen Glauben selbstständig in den Bund eintreten. Die Debatte der Christen des ersten Jahrhunderts war daher auch nicht, ob Juden jetzt ihre Kinder vom Bund ausschließen müssen, sondern ob die Kinder der Heidenchristen durch die Beschneidung Teilhaber des Neuen Bundes werden.

Eine Verheißung für den Neuen Bund ist die Wiederherstellung der (Bundes-)Beziehung zwischen Kindern und Eltern (siehe Lk 1,17). Aber wie kann der Neue Bund bessere Verheißungen haben (Hebr 8,6), wenn die Wiederherstellung dieser Beziehung unter dem Alten Bund als Verheißung im Hinblick auf den Neuen Bund gegeben wird, im Neuen aber nicht mehr? Im Alten Bund sind die Kinder oft vom Glauben abgefallen, der Alte Bund hatte nicht die Kraft, die Nachkommen treu und glaubend unter dem Bund zu halten. Genau dies wird im Neuen Bund anders, besser. Das Muster wird durchbrochen, die Kinder bleiben treu.

Das Gegenargument lautet: Die Kindertaufe ist im NT nicht belegt. Aber das ist ein falsches Kriterium, welches nicht konsistent durchgehalten werden kann. Ein Beispiel dafür ist die Teilnahme von Frauen am Abendmahl. Im NT gibt es direktes Gebot, dass Frauen am Abendmahl teilnehmen sollen, und auch kein ensprechendes Beispiel. Heißt das, Frauen sollen nicht am Abendmahl teilnehmen? Natürlich nicht! Die Beantwortung dieser Frage geschieht über den in Galater 3,28 aufgezeigten Stand der Frauen vor Gott. Und genau so wird im Hinblick auf Kindertaufe vorgegangen: Erst wird der Stand der Kinder vor Gott geklärt und danach die Frage des Sakramentes und wie dieses durchgeführt wird.

Ein weiterer Punkt ist die Bundesheiligkeit der Kinder Gläubiger Eltern. Selbst wenn nur ein Elternteil gläubig ist, sind die Kinder geheiligt/heilig/Heilige:

Denn der ungläubige Mann ist geheiligt durch die Frau, und die ungläubige Frau ist geheiligt durch den Bruder; sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig.

— 1. Korinther 7,14

Der zweite Elternteil wird geheiligt, damit die Nachkommen heilig sind.

In Epheser 6,1-3 werden die Verheißungen des Sinai-Bundes von Paulus auf die Kinder Gläubiger Eltern angewandt. Die Gebote von Sinai waren die Bedingungen des Bundes zwischen Gott und Israel (5Mo 5,3). Paulus erweitert dieses Gebot von den Kindern des Landes auf die Kinder der Erde; Kinder von Heiden sind jetzt also im Bund eingeschlossen. Wir sehen auch an anderen Stellen, dass das Evangelium nicht eine rein persönliche Angelegenheit ist, sondern auch Gruppen von Menschen im Blick hat:

  • Das Evangelium ist für die Familien der Erde: Apg 3,25

  • Das Evangelium ist für die Nationen der Erde: Mt 28,19

  • Das Evangelium ist für die Haushalte der Erde: Apg 16,14-15

  • Das Evangelium ist für die Generationen der Erde: Eine der wertvollsten Verheißungen der Schrift ist die Bundesnachfolge. (Ps 102,28; Jes 65,23; 5Mo 7,9)

Mose war ein Christ

Die gängige Sicht des Alten Bundes beruht oft nicht auf gründlicher Exegese. Wir finden dort Verheißung, Gesetz und erfüllte Verheißung. Die Beschneidung begann mit der Verheißung (Abraham) nicht mit dem Gesetz (Mose). Dass heißt: Erst die Verheißung, dann das Gesetz. Das Gesetz war aber kein Rückschritt, es war der nächste, notwendige Schritt hin zur Erfüllung der Verheißung. Das Gesetz dient der Verheißung, nicht umgekehrt. Aber wie ist die Beziehung zwischen Gesetz und Neuer Bund, zwischen Gesetz und erfüllter Verheißung? In folgender Tabelle finden wir Gemeinsamkeiten und Gegensätze zwischen Altem und Neuem Bund:

Alter Bund Neuer Bund

Fleischlich (d.h. nicht böse oder sündig, sondern materiell)

Heb 9,10

Geistlich

Heb 9,11

Herrlichkeit

2Kor 3,7-8

Weitaus größere Herrlichkeit

2Kor 3,8-11

Gesetz auf äußerlich auf Steintafeln

2Kor 3,3

Gesetz ins Herz geschrieben

2Kor 3,3

vergänglich

Heb 8,13

Beständig und ewig

Heb 13,20

Greifbar/fühlbar

Heb 12,18

Unfassbar/nicht greifbar

Heb 12,22

Bringt dem Gewissen keine Vergebung

Heb 9,9-10

Bringt dem Gewissen Vergebung

Heb 8,12

Bewirkt keine Gesetzeserfüllung

Röm 8,3

Bewirkt Gesetzeserfüllung

Röm 8,3-4

Fand seinen Höhepunkt in einem schrecklichen Fluch für Ungehorsam (Dienst zur Verdammnis)

2Kor 3,9

Wird seinen Höhepunkt in einem Segen für Gehorsam finden

Heb 8,11

Bund mit dem Gottesvolk in einem Zustand der Unreife

Gal 4,1-3

Bund mit Gottesvolk im Zustand der Volljährigkeit

Gal 4,4-7

Buchstabe der tötet (=äußerlich durch Buchstaben auf Stein)

2Kor 3,6

Geist der lebendig macht (=innerlich durch den Geist ins Herz geschrieben)

2Kor 3,6

Gott redet von der Erde aus

Heb 12,25

Gott redet vom Himmel aus

Heb 12,25

Bund war mittelbar, wurde den Menschen durch Engel übermittelt

Gal 3,19; Apg 7,35

Der Bund ist unmittelbar, direkt von Gott zu Mensch

Heb 2,2-3

Schwere Flüche für Ungehorsam

Heb 2,2-3

Noch viel stärkere Flüche

Heb 10,29; 12,25

Die bis jetzt angeführten Unterschiede zwischen den beiden Bünden sind bereits enorm; sie sind aber unbedeutend im Vergleich zum letzten und größten Unterschied, der gleichzeitig die perfekte Harmonie der beiden Bünde zeigt

Erwartung einer Zeit geistiger Kraft

Jer 31,34

Der Neue Bund ist stark genug, um für alle Zeit zu erretten; einschließlich der Zeit des Alten Bundes!

Heb 9,15; Joh 8,58; Heb 7,3

Es gibt nun zwei Wege, diesen Vergleich anzuwenden:

  1. Kontinuität: Das heranwachsende Kind und das erwachsene Kind sind ein und dasselbe Kind. Das Israel des Alten Bundes war Israel in seiner Kindheit, das Neue Israel des Neuen Bundes ist das erwachsene Israel.

  2. Unterschiedlichkeit: Der Zustand des Erben unterscheidet sich nicht von dem eines Sklaven, solange er Kind ist. Israel im Alten Bund war unter Knechtschaft, einem Joch, das nicht getragen werden konnte. Israel im Neuen Bund ist frei, das versprochene Erbe ist erlangt.

Würden die aufgezeigten Tatsachen über die beiden Bünde aus dem Kontext gerissen und stumpf angewandt, müsste man davon ausgehen,

  • dass unter dem Alten Bund von Mose bis Christus niemand gerettet wurde, da dieser Bund kraftlos war,

  • oder dass in diesem Zeitraum eine andere Religion galt.

Natürlich stimmt weder das eine noch das andere. Es gibt zahlreiche Beispiele für Heilige im AT. Das Errettungsprinzip war dabei dasselbe wie bei uns: aus Gnade durch Glauben. Aber wie geht das, wenn der levitische Dienst fleischlich und schwach war?

Die alttestamentlichen Heiligen standen vor Gott auf der Basis des Evangeliums von Jesus Christus durch Glauben. Die Heiligen des NT werden durch das Beispiel der Glaubenshelden im AT in ihrem Glauben ermutigt. Wir sehen auch, dass der Neue Bund in der Errettung der AT-Heiligen wirksam ist (Heb 9,15). Der zweite Bund errettet nicht nur diejenigen, die unmittelbar unter und während diesem Bund lebten und leben, er rettet auch die Gläubigen des ersten Bundes. Dies ist nur möglich, da der Neue Bund viel, viel größer und herrlicher als der alte, levitische Bund ist. Der levitische Dienst konnte nicht rückwirkend retten, er konnte gar nicht retten.

Die Überlegenheit des Neuen Bundes wird vielfach im NT gezeigt, und zwar auch rückwirkend in Bezug auf das AT, nicht nur für die Zeit nach Christus. Mose zum Beispiel tauscht die Herrlichkeit Ägyptens gegen die Schmach Christi ein (Heb 11,24-26). Dass bedeutet, Mose war ein Christ. Die Israeliten wurden auf Mose getauft und tranken von dem Felsen; dieser Fels war Christus (1Kor 10,1-4). Der Neue Bund trat offiziell mit der Menschwerdung Christi in Kraft (d.h. er wurde offenbar), aber nachdem er einmal in Kraft getreten ist, wird er von den Schreibern des NT überall auf der Welt und zu allen Zeiten gesehen!

Gott hat Abraham den Bau eines Tempels aus lebendigen Steinen versprochen und ihm eine Blaupause dieses Gebäudes gezeigt. Der Bau begann mit dem Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Im Hausbau gibt es verschiedene Materialien, Hilfsmittel und Arbeitsschritte. Es gibt zum Beispiel das Gerüst; dieses ist notwendig zum Hausbau, aber muss irgendwann wieder abgebaut werden, da es kein endgültiger Bestandteil des Gebäudes ist. Im Vergleich zum Gebäude ist das Gerüst untergeordnet. Aber aus einer anderen Perspektive betrachtet ist das Gerüst als Gerüst dem Haus überlegen. Und das Gerüst war notwendig für den Bau.

Es gibt nun drei Irrtümer im Verständnis des Gerüstes.

  1. Das Gerüst wird als dauerhafter Bestandteil des Bauwerks betrachtet. Das ist der Irrtum der Judaisierer innerhald der Kirche.

  2. Das Gerüst wird als das Bauwerk betrachtet. Das ist der Irrtum der abtrünnigen Juden, die Jesus verworfen haben.

  3. Das Gerüst wird als eigenständiges Gebäude betrachtet, das abgerissen wurde und wieder aufgebaut werden wird. Das ist der Irrtum des Dispensationalismus.

Können ungläubige Menschen Mitglieder des Neuen Bundes sein? Ist das möglich? Baptisten beantworten diese Frage mit »Nein«. Ohne Glaube gibt es keine Mitgliedschaft im Neuen Bund. Das Bundesvolk und die Erwählten sind derselbe Personenkreis. Paedobaptisten hingegen sagen, dass Unglaube eine Verletzung des Neuen Bundes ist und daher mit den Flüchen des Bundes bestraft wird. Das Bundesvolk und die Erwählten sind nicht derselbe Personenkreis.

Hinter diesen Positionen stecken Annahmen bezüglich der Kontinuität bzw. Diskontinuität des Alten und Neuen Bundes im Hinblick auf Nicht-Gläubige Bundesmitglieder. Denn im Alten Bund waren ungläubige Juden teil des Bundesvolkes. Der Standpunkt der Baptisten ist, dass im Neuen Bund werden alle Bundesmitglieder errettet sein werden uns es keine Ausnahme mehr gibt. Der Standpunkt der Paedobaptisten hingegen ist, dass es im Neuen Bund wie im Alten Bund errettete und verlorene Bundesmitglieder geben wird. Da der Neue Bund viel bessere Verheißungen hat als der Alte Bund, wird sich jedoch das Verhältnis von Gläubigen zu Ungläubigen drastisch verbessern.

Im NT finden wir sehr deutliche Aussagen, dass das Bundesvolk des Neuen Bundes vor den Fehlern Israels unter dem Alten Bund gewarnt wird und nicht dieselben Fehler wiederholen soll. (Heb 3,19 – 4,1; Heb 4,11; Heb 10,28-29; 1Kor 10,1-11; Röm 11,20-22).

Wahre Religion war seit jeher eine Herzensangelegenheit. Wahres Jude-Sein ist ebenfalls ein Wirken des Geistes Gottes am Herzen des Menschen und ist als solches für alle Nationen zugänglich. Die Herzensbeschneidung schafft wahre Juden bzw. Israeliten; dies ist auch für die Heiden wahr (Kol 2,11), und zwar bei Ihnen auf Basis des Neuen Bundes.

Die Beschneidung und das Herz

Gott hat Eltern schon in der Zeit vor der Menschwerdung Christi wunderbare Verheißungen gegeben (Jes 59,21); diese Verheißungen sind nach dem Kommen Christi nicht im Geringsten geändert worden! Dies basiert auf der biblischen Ordnung des Haushalts mit der Ehe (eine Bundesbeziehung zwischen Mann und Frau) im Mittelpunkt. Die Ehe ist dabei immer ein Bild von Christus und der Kirche. Die gelebte Ehe ist als Bild entweder wahr oder sie ist eine Lüge, aber die Ehe redet immer von Christus. Die Ehe ist ein Bund und die Nachkommen von Gläubigen Eltern sind gesegnet und geheiligt. Dies gilt sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. (1Kor 7,14)

Diese Punkte zur Ehe hängen auch mit der Frage des Bundeszeichens zusammen und mit der in diesem Buch diskutierten Frage, ob das Bundeszeichen auch auf Kinder angewendet wird. Diese Frage ist ein anhaltender Streitpunkt unter Christen, aber das ist trotzdem kein Grund, diesen Punkt nicht vorzubringen. Aber wir sollten immer daran denken, dass der Bund selbst größer und wichtiger ist als das Zeichen des Bundes. Im Gesamtzusammenhang ist letzteres das unwichtigste Element. Wir sollen die Heiligen in Christus lieben, ungeachtet des »Wassers das trennt«.

Die Schrift verbindet Beschneidung und Taufe unmissverständlich miteinander. In diesem Abschnitt wird daher zuerst die Bedeutung der Beschneidung herausgearbeitet.

Die Bundeszeichen müssen vor dem Hintergrund der Verheißungen und Pflichten der Eltern betrachtet werden. Die Autorität des Familienoberhauptes ist dieselbe im AT und im NT. In dieser Frage gab es keine Änderung. »Ich und mein Haus werden dem HERRN dienen« kann jedes Familienoberhaupt nach wie vor mit voller Berechtigung sagen.

Um die Bedeutung der Beschneidung herauszuarbeiten, schauen wir zuerst auf die Beschneidung Abrahams in 1. Mose 17. Die Beschneidung war ein physisches Zeichen bezüglich des verheißenen Landes Kanaan. Aber steckt hinter dieser Verheißung mehr als nur das Versprechen auf Landbesitz?

Paulus sagt uns, das Abraham das Evangelium verkündet worden ist. (Gal 3,8) Jesus erinnert uns, das Abraham Seinen Tag gesehen hat und sich freute. (Joh 8,56) Die Verheißung an Abraham war die Stadt Gottes, d.h. die Erlösung der gesamten Menschheit. (Heb 11,13-16) Ihm wurde also eine erlöste Welt verheißen. (Röm 4,13) Die Beschneidung war also einerseits ein Zeichen für die Verheißung des Landes und andererseits bezeichnete es die Herzenshaltung, die notwendig war, um den Bund zu halten.

Was Gott tatsächlich erwartet, ist ein beschnittenes Herz. (5Mo 10,16) Der Bund kann nämlich nicht in Treue von unbekehrten Menschen gehalten werden. Die Beschneidung am Fleisch war als Zeichen Christi gegeben worden, der allein die objektive Grundlage der geistigen Beschneidung des Herzens ist. (Jer 4,4; 9,25-26) Die Beschneidung war als Zeichen also zum Einen äußerlich und gleichzeitig verwies sie auf geistige Wahrheiten. Denn die wahre Beschneidung ist eine innere Angelegenheit. (Paulus, Röm 2,28-29) Es ist daher logischerweise etwas, das nur der Geist Gottes bewirken kann. Die Wiedergeburt (neue Geburt) macht jemanden zu einem wahren Juden. Diese Wahrheit wird auch schon im AT gelehrt.

Abraham wurde von Gott als gerechtfertigt bezeichnet. (Röm 4,9-11) Dass bedeutet soviel wie, dass sein Herz beschnitten ist. Abrahams Gerechtigkeit war nicht sein persönlicher Glaube sondern Christus war seine Gerechtigkeit. Das Siegel der Beschneidung ist nicht als persönliches Zeugnis gegeben worden, es war Gottes Siegel des verheißenen und kommenden Christus. Die Bedeutung ist »Erlösung für die Welt!« und nicht »Abraham ist errettet!« Abraham war persönlich gerettet! Aber diese Errettung geschah auf der Grundlage der objektiven Verheißung des kommenden Messias.

Wir neigen dazu, ein Siegel subjektiv im Hinblick auf den persönlichen Glauben zu verstehen. Daher kann nichts besiegelt werden, wenn wir den persönlichen Glauben nicht mit eigenen Augen bei der betreffenden Person gesehen haben. Wir taufen aus dem Schauen, nicht aus dem Glauben.

Abraham hat das Siegel Isaak und Ismael gegeben. Isaak wiederum hat das Siegel Jakob und Esau gegeben. Die Bedeutung des Zeichens und des Siegels war in allen vier Fällen unverändert die Gleiche. Ismael und Esau trugen das Siegel der Gerechtigkeit durch einen Anderen heuchlerisch. Die Juden, die Jesus verfolgten, folgten den Spuren Esaus; sie hielten die Beschneidung fälschlich für ihre eigene Gerechtigkeit, aber es war das Zeichen eines Bundes mit Sündern und ein Siegel der Gerechtigkeit, die in einem Anderen zu finden ist. Wir müssen der Neigung widerstehen, das Bundeszeichen zu einem Siegel unserer eigenen persönlichen Gerechtigkeit zu machen.

Abraham war der Vater aller Gläubigen, aber er war niemals der Vater derer, die nicht glauben; dies gilt gleichermaßen sowohl für Beschnittene als auch für Unbeschnittene. Von denen, die als Säugling beschnitten werden, erlangen diejenigen die verheißenen Segnungen, die später zum Glauben kommen. Die Segnungen Abrahams kommen aber nicht nur auf die beschnittenen Gläubigen, sondern auf jeden, der den Glauben Abrahams teilt.

Der Mensch, der von sich weg schaut, der ist innerlich gerechtfertigt. Der Mensch, der in sich selber hinein schaut, ist verloren. (Gal 5,6) Wahre Religion schaut auf den Zustand des Herzens. Von sich weg auf den objektiven Christus zu schauen, ist keine Vernachlässigung des Herzens, sondern der einzige Weg der Rechtfertigung!

Dies zeigte sich unter der levitischen Ordnung folgendermaßen:

  • Bei einem beschnittenen Mann, der zum Glauben kam, war und bliebt seine Beschneidung ein Zeichen und ein Siegel des Bundes, dessen Verheißung das Kommen des Christus war. Er brauchte sich nicht noch einmal beschneiden zu lassen (wenn dies möglich gewesen wäre).

  • Bei einem beschnittenen Mann, der nicht zum Glauben kam, war seine Beschneidung trotzdem dasselbe Zeichen und Siegel, dass gleichermaßen auf Christus hindeutete. Aber er trug dieses Zeichen heuchlerisch, weshalb es seine Verdammnis vergrößerte. Auch wenn er dem Bund untreu wurde, nachdem er erwachsen war, hat sich die Bedeutung der Beschneidung nicht geändert.

Die Beschneidung war ein Zeichen der Gerechtigkeit durch Glauben und ein Siegel des verheißenen Christus und nicht Zeichen und Siegel der eigenen Gerechtigkeit. Die Bedeutung der Beschneidung ändert sich nicht, auch wenn der Träger nicht zum Glauben kam und somit ein Heuchler war. Sein Gericht war nur umso schwerer: wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt.

Die Anwendung auf die Taufe

Die Beschneidung ist das Zeichen und Siegel des Christus, der kommen wird. Die Taufe ist das Zeichen und Siegel des Christus, der kam. Die Beschneidung blickte in der Geschichte voraus, während die Taufe in der Geschichte zurück blickt. Aber beide zeugen von Christus.

Ist der innere Zustand des Individuums irrelevant? Nein, wenn er das Siegel heuchlerisch trägt, ist sein Zeugnis abscheulich für Gott. Seine Lüge ist nicht hinsichtlich seines inneren Zustands, vielmehr bedeutet sein innerer Zustand, dass er Christus betreffend lügt.

Die Beschneidung und die Taufe sind nicht Pfeile, die auf die subjektive Erfahrung des erlösten Menschen zeigen, sondern Pfeile, die auf die objektive Tatsache des Erlösers zeigen. Wenn ein Getaufter wahren Glauben zeigt, handelt es sich in diesem Fall um einen treuen Botschafter. Aber die Treue des Botschafters ist nicht die Botschaft selbst. Christus ist die Botschaft!

In Kolosser 2,11-12 werden Taufe und Beschneidung miteinander in Verbindung gebracht: Die Christen in Kolossä waren Heidenchristen, keine Juden. Trotzdem sind sie ohne das äußerliche Zeichen der Beschneidung am Herzen beschnitten. Die geistige Beschneidung wurde durch das Begraben-Werden-mit-Christus in der Taufe vollbracht. Es gibt also eine Taufe, die die Beschneidung Christi bewirkt. Die Beschneidung des Herzens geschieht nicht mit Händen, es ist Gottes Werk im Herzen. Sie wird nicht durch irgendwelche äußerlichen Riten oder Zeremonien erreicht, weder unter dem Alten noch unter dem Neuen Bund. Die Taufe verbindet uns mit Christus, indem sie uns mit ihm begräbt.

In Römer 6,3-4 sehen wir, dass die Wasser-Taufe und die Beschneidung des Fleisches Bilder derselben geistlichen Wahrheiten sind. Die Beschneidung ist mit dem Entfernen der Vorhaut ein Bild für die Entfernung der Herrschaft des Fleisches bei jedem, der neu geboren ist. Die Taufe bedeutet das Begräbnis des alten Menschen. Die Realität, auf die beide Bilder hindeuten, ist der Tod des alten Menschen am Kreuz Christi. Dieser Tod ist objektiv vollbracht worden im Kreuzestod Christi. Sowohl Taufe als auch Beschneidung sind beide ein Bild für die Befreiung des Gläubigen von der Sünde.

Wenn man Galater 3,26-26 anschaut, kann man die wahre Taufe als Taufe der Vereinigung bezeichnen. Und die Auswirkungen dieser Taufe sind ewig.

Wie wird diese Taufe bewerkstelligt? Die Antwort finden wir in 1. Korinther 12,13: Wir sind in einen Leib getauft worden. Dieser Leib ist der Leib Christi. Und so wie die Ältesten ins Wasser taufen, so tauft der Heilige Geist in Christus hinein. Die Wassertaufe verweist auf die Taufe in Christus. Die Taufe der Vereinigung mit Christus wird durch den Heiligen Geist ausgeführt. Der Heilige Geist bewirkt die Beschneidung des Herzens (wahre Beschneidung; s. Röm 2,29). Ebenso bewirkt der Heilige Geist die wahre Taufe.

Beide äußerlichen Zeichen - Beschneidung und Taufe - beziehen sich auf die Gerechtigkeit eines Anderen. Die innere Wirklichkeit bewirkt der Heilige Geist im Menschen und bewirkt so, dass das mit dem Zeichen verbundene Zeugnis nicht geheuchelt ist.

Wasser und Geist

Die Geistestaufe ist keine Erfahrung, die sich an die Bekehrung anschließt, sondern die während der Bekehrung gemacht wird. In Apostelgeschichte 10 und 11 lesen wir von der Bekehrung und Taufe des Kornelius und die anschließende Rechtfertigung Petrus' vor den anderen Aposteln. Kornelius, seine Familie und seine Freunde wurde durch den Heiligen Geist getauft so wie die Jünger an Pfingsten. Gott brachte ihnen wirklich Erlösung durch den Heiligen Geist. Daher befahl Petrus, sie zu taufen. Hier wird die bisher angenommene Verbindung von Wasser- und Geistestaufe deutlich: Die Wassertaufe wurde von Petrus durchgeführt, weil die Geistestaufe von Gott sichergestellt worden war.

Hier wäre ein Einwand seitens der Baptisten möglich: Erst kommt die Bekehrung, dann die Taufe. So sieht man es doch bei Kornelius. Die Taufe muss warten, bis die Bekehrung offensichtlich ist. Aber diese Argumentation verfehlt den Punkt: Bei Kornelius ging es nicht darum, ob sein Haushalt alt genug war, um die Wassertaufe zu empfangen, sondern ob sie jüdisch genug waren. Wenn in dem Haushalt ein Säugling dabei war, hätten die Teilhaber der Beschneidung die Taufe nicht verwehrt, weil er nicht alt genug war, sondern weil er ein Heidenbaby war.

Wassertaufe und äußerliche Beschneidung sind Zeichen desselben Christus. Die äußerlichen Zeichen sind daher theologisch äquivalent; sie deuten auf denselben Christus hin. Die Wassertaufe bezieht sich auf Christus auf drei Weisen:

  1. Sie steht in Verbindung mit der Beschneidung des Herzens.

  2. Sie bezieht sich auf die Verbindung des Gläubigen mit seinem Herrn.

  3. Sie ist eindeutig verbunden mit der Geistestaufe.

Die äußerliche Beschneidung zeigt dieselben drei Aspekte in Bezug auf Christus und wurde nichtsdestotrotz an Säuglingen durchgeführt. Warum also nicht auch Säuglinge taufen?

Die Wassertaufe ist nicht heilig in sich selbst; sie bedeutet einen heiligen Christus. Die Wassertaufe ist auch nicht Teil des Evangeliums, sie begleitet das Evangelium als Zeichen. Die Taufe ist ein Antityp eines Typus aus dem AT, nämlich der Sintflut. (1Petr 3,21ff) Noah und seine Familie waren in der Arche wegen Noahs Glaubens. Wir kommen zur Taufe aufgrund unseres Glaubens. Hier ist keine Magie im Spiel, durch die man durch die Taufe gerettet wird.

Wir suchen niemals in Äußerlichkeiten nach unserer Errettung. Wir können Gott nicht manipulieren, er ist der Souverän, auch und gerade in Sachen der Erlösung. Seit ewigen Zeiten ist ER es, der ändernd eingreift und uns schenkt, was wir am dringendsten brauchen: er nimmt das steinerne Herz und gibt uns ein Herz aus Fleisch. Und als unser souveräner Herr schenkt er uns das Zeichen seines Bundes an uns selbst und fordert uns auf zu glauben.

Beschneidung und der Neue Bund

In den vorherigen Kapiteln wurde die Grundlage gelegt, um nun endlich die Argumente für die biblische Praxis der Säuglingstaufe präsentieren zu können. Da die Einbeziehung der Heiden eines der auffälligsten Merkmale des Neuen Bundes ist, ist es wichtig festzuhalten, dass die Verheißungen Gottes an Eltern aufgrund der neuen Verhältnisse nicht geändert werden. Die Verheißungen Gottes ändern sich nicht, die Pflichten der Eltern ändern sich auch nicht. Kurz gesagt, in allen Zeitaltern beauftragt Gott Eltern, ihre Kinder in der Furcht des HERRN groß zu ziehen, und er verheißt ihnen, dass diese Erziehung nicht fruchtlos sein wird. Ein Beispiel aus dem NT ist Timotheus und seine Mutter Eunike. Gottes Verheißungen an Eltern sind gut und die Pflichten der Eltern sind klar umrissen.

Die Debatte zwischen Baptisten und Paedobaptisten ist folgendermaßen: Wenn der Modus des Initiationsritus von AT (Beschneidung) zu NT (Taufe) sich so drastisch ändert, können sich dann nicht auch die Empfänger dieses Ritus gleichfalls ändern?

Nochmal zur Erinnerung: Die Schrift lehrt deutlich, dass das Halten des Bundes wichtiger ist als das äußerliche Halten der Bundeszeichen. Trotzdem sollten Christen natürlich bemüht sein, in Beidem treu zu sein. Ein gewöhnlicher Einwurf ist, dass es kein Beispiel für die Säuglingstaufe im NT gibt. Auf diesen Einwand wird zu selten eingegangen. Und wenn darauf eingegangen wird, dann mit unpassenden Argumenten in Bezug auf des Schweigen des NTs. Wenn wir aber nur Argumente haben, dass eventuell Babys getauft worden sind, dann können wir daraus nur schließen, dass wir es eventuell auch tun sollten. Das ist keine besonders gute Grundlage für christlich-elterliche Pflichten.

Wir müssen die erste Frage anders stellen: Gibt es im Neuen Testament christliche Eltern, die an ihren Säuglingen ein Bundeszeichen vollziehen, dass sie mit Christus identifiziert? Und wenn Sie das tun, hat diese Praxis apostolische Zustimmung? Bei dieser Frage geht es nicht um die Zeit des AT, sondern um christliche Eltern unter dem Neuen Bund.

Eine erste Antwort erhalten wir mit Hilfe von Apg 21,18-25: Paulus kommt nach Jerusalem und trifft auf Jakobus und die Ältesten der Gemeinde in Jerusalem. Es gibt einen falschen Bericht über Paulus und über die Lehre, die er verbreitet haben soll. Gemäß diesem Bericht hat Paulus die Judenchristen angehalten, aufzuhören ihre Kinder zu beschneiden. Jakobus wusste, dass dieser Bericht falsch ist und schlägt einen Plan vor, um zu zeigen, dass Paulus sich in dieser Hinsicht nichts vorzuwerfen hat.

Dieser Vorfall könnte als bedauernswerter Fehler seitens Paulus interpretiert werden: Er hat die Judenchristen tatsächlich von der Beschneidung abbringen wollen und macht jetzt einen faulen Kompromiss mit Jakobus, da er den Konflikt mit Jakobus scheute. Diese Interpretation passt jedoch absolut nicht zum Gesamtzeugnis des NT über Paulus. Er konfrontiert zum Beispiel Petrus in Antiochia ziemlich heftig und er verweigert sich der Beschneidung Titus' auf’s Äußerste. Außerdem suchte er die Gemeinschaft mit Jakobus und den anderen in Jerusalem. In Apg 23,1 ist Paulus sogar in Gefangenschaft wegen seines »Kompromisses« und sagt und bezeugt von sich selbst, dass er ein reines Gewissen hat. Diese Sicht rückt auch Jakobus in ein unbiblisches Licht. Immerhin war auch er ein Apostel und ein Autor des NT; außerdem war er einer der Brüder Jesu. Diese Sichtweise hat daher keine Grundlage im NT.

Wenn Paulus und Jakobus hier keinen Kompromiss geschlossen haben, der das Evangelium unterwandert, was ist hier dann passiert? Die Beschneidung war kein kulturelles Abzeichen oder Merkmal. Richtig verstanden, war es das Zeichen des Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen hat. Als Gott die Beschneidung eingesetzt hat, war sie auf jeden Fall ein Bundeszeichen und bei treuer Durchführung dieser Praxis ist sie das auch geblieben.

Es ist auch klar, dass sich die Praxis der Beschneidung langsam dem Ende näherte, aber die Frage ist, wie die Beschneidung in der Zwischenzeit von den Christen verstanden wurde. Die Beschneidung blieb eine Anordnung Gottes und bedeutete weiterhin, dass derjenige, der sie empfing, verpflichtet war ein wahrer Sohn Abrahams zu sein. Dass bedeutet so viel wie ein Christ zu sein. Und es gibt im NT keinen Hinweis, dass sich diese religiöse Bedeutung der Beschneidung geändert hätte. Dass ungläubige Juden trotzdem das Zeichen der Beschneidung trugen, hielten die Christen für einen abtrünnigen Missbrauch der Beschneidung. Eine Beschneidung ohne Glauben durch Leute, die fälschlicherweise behaupteten sie seien Juden, war in Wirklichkeit Satansanbetung. (Offb 3,9) Das Problem dieser Leute war nicht, dass ihr Fleisch beschnitten war, sondern dass ihr Herz nicht beschnitten war. Eine Beschneidung ohne Glauben war kein neutrales oder kulturell-ethnisches Problem, es war eine sakramentelle Rebellion gegen Gott.

Die Beschneidung der Säuglinge war Standard unter den Judenchristen. Diese haben nicht schlagartig auf »Erwachsenenbeschneidung« umgestellt. Erwachsene, die sich aus einem bestimmten Grund in besonderer Weise mit den Juden identifizieren wollten, haben sich der Beschneidung auch weiterhin unterzogen. Ein Beispiel dafür ist Timotheus, der sogar durch Paulus(!) beschnitten wurde. Aber eine Beschneidung von Heiden als geistige Voraussetzung ihrer Errettung wurde von Leuten, die das Evangelium der Gnade verstanden hatten, auf’s Heftigste abgewehrt. (siehe Apg 15) Obwohl sie in einem seelen-zerstörendem Fehler gefangen waren, gab es eine beträchtliche Anzahl Leute innerhalb der bekennenden christlichen Kirche, die der apostolischen Lehre, Heiden seien alleine auf Grundlage ihrer Taufe anzunehmen, nicht glaubten (die sogenannten Judaisierer). (siehe Apg 11,2-3; 15,5) Darüber hinaus gab es aber auch eine Gruppe, die einsichtiger war als die Judaisierer, aber trotzdem (noch) nicht die notwendige Reife in Bezug auf das Bundesverständnis des Paulus und Petrus erreicht hatten.

Es kann gar nicht überbetont werden, dass die Beschneidung für Judenchristen eine tiefe Bedeutung hinsichtlich des Bundes mit Gott hatte. Ihre Gefühle waren so tief, dass sie geradezu überredet werden mussten, die unbeschnittenen Heiden in der Kirche zu akzeptieren. Petrus und Paulus leisteten gute Überzeugungsarbeit; und da Gott die Heiden offensichtlich auch mit Heiligem Geist taufte, wurden die Heiden auf Basis ihrer Taufe in der Kirche akzeptiert.

Betrachten wir Galater 3,26-29: Diese Heiden sind Söhne Gottes durch den Glauben in Christus. Jeder, der in Christus getauft ist, hat Christus angezogen. Deshalb ist eine sinnvolle religiöse Unterscheidung zwischen ethnischem Juden und ethnischem Griechen nicht länger möglich. Wenn jemand in Christus getauft ist, gehört er zu Christus. Wenn er zu Christus gehört, ist der frühere götzenanbetende Heide nun ein Sohn Abrahams geworden und damit ein Erbe gemäß der Abraham gegebenen Verheißung; ob er nun beschnitten war oder nicht. Seine Taufe war im Hinblick auf den Bund ausreichend. Durch die Wassertaufe werden die Heiden in die sichtbare Gemeinschaft des Neuen Israels mit eingeschlossen.

Die Juden verzichteten darauf, die Beschneidung von den Heiden zu verlangen, hörten damit aber selber nicht auf. Die Debatte war damals also nicht, ob Juden mit der Beschneidung aufhören sollten, sondern ob Heiden mit der Beschneidung anfangen sollten. Das Apostelkonzil erließ nicht einzelnen Heiden die Beschneidung; die Beschneidung wurde Heiden und ihrem Samen erlassen. Es wurde nicht weiter darauf bestanden, dass Heidenchristen ihre Säuglinge beschneiden. Und der Grund war nicht, dass sie Säuglinge waren, sondern weil sie Heiden-Säuglinge waren.

Wir müssen uns einen weiteren Punkt anschauen, und zwar die christlichen Synagogen und das Verhältnis zwischen Beschneidung und der Mitgliedschaft in diesen Synagogen. Jakobus spricht in seinem Brief in Kapitel 2 in den Versen 2-4 von einer Synagoge (Elberfelder 2003; Luther übersetzt hier mit Versammlung). Die Formulierung Eure Synagoge impliziert, dass es mehrere Synagogen gab. Dies passt auch zu den Berichten aus der Apostelgeschichte; Scharen von Juden kamen zum Glauben, allein 3000 an Pfingsten; es muss offensichtlich zahlreiche Versammlungsorte für diese Menge an Gläubigen gegeben haben.

Jakobus bezeichnet nun diese christlichen Gemeinschaften als Synagogen. Wie wir bereits gesehen haben, haben die Judenchristen haben ihre Söhne weiterhin beschnitten. Gleichzeitig sind Synagoge und Kirche zwei synonym verwendete Begriffe (Jak 5,14); es sind zwei unterschiedliche Begriffe für ein und dieselbe Sache: die sichtbare, örtliche Versammlung der Gläubigen.

Daraus ergibt sich die offensichtliche Frage, wie das Verhältnis von Synagogenmitgliedschaft und Beschneidung ist? Wenn ein jüdisch-christlicher Vater seinen Sohn beschnitten hat, hatte dieser Sohn dadurch dasselbe Verhältnis zur christlichen Synagoge wie ein moderner Baptisten-Sohn zu der Gemeinde seines Vaters? Waren die beschnittenen Söhne Mitglieder der christlichen Bundesgemeinschaft oder nicht? Anders gefragt: Gibt es im NT irgendwelche Säuglinge, die rechtmäßig Mitglieder irgendeiner sichtbaren christlichen Bundesgemeinschaft waren? Wenn die Antwort auf diese Frage »Nein« lautet, gibt es zwei Optionen:

  1. Die Apostel haben einen Fehler gemacht, die Praxis der Beschneidung bei den Judenchristen weiterhin zuzulassen; sie hätten darauf bestehen müssen, dass dies ein Ende hat! Aber dieser Standpunkt zerstört die Autorität der Apostel. Ihnen hier einen Fehler zu unterstellen, macht ihr Beispiel und ihre Lehre unzuverlässig und nicht mehr vertrauenswürdig.

  2. Die Apostel haben die Bedeutung der Beschneidung geändert, so dass diese nur noch eine neutrale, kulturelle Handlung war. Im Sinne von: Die Juden hatten das Zeichen der Beschneidung so wie die römischen Bürger Togas getragen haben. Aber die Beschneidung wird im NT immer als von Gott angeordneter Bundesakt gesehen und es gibt keine Indizien, dass sich dies geändert hätte. Im Gegenzug haben die Apostel die Beschneidung der ungläubigen Juden aufs Schärfste angegriffen, da auf diese Weise das heilige Bundeszeichen durch Unglauben beschmutzt wurde.

Wenn die Antwort auf die oben formulierte Frage allerdings »Ja« lautet, dann bedeutete die Beschneidung des Säuglings dessen Aufnahme in die örtliche Synagoge. Wenn es eine christliche Beschneidung gab (und es gab sie), wenn es weiterhin christliche Synagogen gab (und es gab sie) und wenn die Christen in diesen Synagogen dieselben Gläubigen waren, die auch ihre Söhne beschnitten haben (und das haben sie), dann ist die notwendige Schlussfolgerung, dass wir mit Sicherheit wissen, dass es in einigen christlichen Kirchen des ersten Jahrhunderts Säuglinge als Mitglieder gab.

Gläubige Juden beschnitten weiterhin ihre Söhne und das machte sie zu Mitgliedern in der sichtbaren Versammlung christlicher Heiliger. Diese Juden wurden gleichzeitig aber auch getauft (Eph 4,5 spricht von »eine[r] Taufe«; s.a. Apg 2,39). Dass heißt: Heidenchristen hatten das Zeichen der Taufe während Judenchristen die Zeichen der Taufe und der Beschneidung hatten. Jesus hatte die Taufe für beide Gruppen von Gläubigen angeordnet, damit diese das ewige Zeichen des Eintritts in den Neuen Bund sei.

Die Beschneidung war zusammen mit dem gesamten AT-Kult ein »Auslaufmodell«. Der endgültige Bruch in dieser Hinsicht kam 70 n. Chr. in Folge der Zerstörung Jerusalems. Danach wurde die Kirche überwiegend von Heidenchristen geprägt. Doch während die Beschneidung als Zeichen noch weiterlebte, wurde sie von Tausenden praktiziert und hatte Auswirkungen auf die Mitgliedsstrukturen der jungen Kirche.

Es gibt häufig die Annahme, die Entstehung der Kirche im ersten Jahrhundert sei ein abrupter Sprung zu einer komplett anderen Ordnung gegenüber dem AT gewesen. Aber das stimmt so nicht. Der Übergang dauerte fast ein halbes Jahrhundert. Der Übergang startete in den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts nach Pfingsten und ging bis 70 n. Chr. Und was hieß das praktisch? Ein jüdisches Paar, dass seinen Sohn in den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts beschneiden ließ, konnte bis 70 n. Chr. durchaus noch seinen ebenfalls beschnitten Urenkel erleben. Während dieser Zeit waren Heiden in einer Gemeinschaft mit den Juden eingeschlossen, aber die Säuglinge der Juden wurden nicht ausgeschlossen.

Die nächste Frage lautet: Was ist mit der Taufe jüdischer Säuglinge? Für die Antwort auf diese Frage müssen wir zeigen, das Taufe und Beschneidung denselben theologischen und lehrmäßigen Bezugspunkt haben; dies wurde bereits in den Kapiteln 3 bis 5 (hauptsächlich 5) aufgezeigt. An dieser Stelle gehen wir auf den Punkt nochmal kurz ein und untermauern ihn weiter.

Wenn sich Taufe und Beschneidung auf dieselben geistigen Wirklichkeiten beziehen und eines der beiden Zeichen für Säuglinge erforderlich ist, dann können Säuglinge bei dem jeweils anderen Zeichen nicht aufgrund der Bedeutung ausgeschlossen werden. Der Ausschluss hätte auf anderer Basis zu erfolgen. Das Argument der Baptisten geht aber gerade über die Bedeutung der Taufe; der Ausschluss der Säuglinge im Neuen Bund erfolgt bei ihnen aufgrund der Bedeutung der Taufe.

Was sind die geistigen Wirklichkeiten, auf die sich Taufe und Beschneidung beziehen?

  • Taufe (Tit 3,5) und Beschneidung (Röm 2,28-29) bedeuten Erneuerung – Christus ist unsere Erneuerung.

  • Taufe (Mk 16,16) und Beschneidung (Röm 4,11-12) bedeuten Rechtfertigung durch Glaube – Christus ist unsere Gerechtigkeit.

  • Taufe (Röm 6,3-7) und Beschneidung (Kol 2,11) bedeuten das Ablegen des Alten Menschen. Die Taufe zeigt dies durch die Bilder von Tod und Begräbnis, während die Beschneidung dies als chirurgischen Eingriff abbildet – Christus ist unser Tod und unser Begräbnis.

  • Taufe (Eph 4,5; Gal 3,26-29) bedeutet Bürgerschaft im Neuen bzw. Wahren Israel. Die Taufe sagt: »Der Getaufte ist ein wahrer Sohn Abrahams und ein Erbe der Verheißungen, die Abraham erhalten hat«. Die Bedeutung der Beschneidung ist die Bürgerschaft in Israel.

  • Die Taufe wird sehr ernst genommen; sie steht in Verbindung mit Segen für Gehorsam und Fluch für Ungehorsam (1Kor 10,1-12); Segen und Fluch werden mit unserer Aufnahme und unserem Umgang hinsichtlich der Anordnungen und der Sakramente Gottes verbunden. Gleiches gilt auch für die Beschneidung; auch hier gibt es Segen und Fluch für Gehorsam bzw. Ungehorsam (Röm 2,25).

Was folgt aus diesen Überlegungen? Was sind unsere Schlussfolgerungen? Wenn Judenchristen einen beschnittenen Säugling zur Taufe zu den Ältesten der Synagoge (d.i. Kirche) gebracht haben, auf welcher Grundlage konnten sie abgewiesen werden? Alle modernen baptistischen Argumente fallen durch. Die Beschneidung spricht wie die Taufe von einer Herzensreligion und wahrhaftiger Anbetung Gottes. Hierbei werden keine Einwände gemacht; warum dann aber bei der Taufe? Bei der Taufe hätten Säuglinge mit dem Argument ausgeschlossen werden können, das sie zusätzlich zu der Beschneidung überflüssig sei. Es seien doch nicht zwei Zeichen mit derselben Bedeutung notwendig. Aber auch dieses Argument ist natürlich nicht richtig. Die Taufe war notwendig, da es die Einheit der Judenchristen und der Heidenchristen zeigte. Die Beschneidung wiederum hat die Einheit der Judenchristen mit Abraham gezeigt. Auf diese Weise wird deutlich, dass die Heidenchristen mit den Juden als dem wahren Samen Abrahams verbunden sind.

Es stellt sich noch die Frage nach den Säuglingen der Heidenchristen. Ihre Beschneidung war nicht verboten, weil sie Säuglinge waren, sondern weil sie Heiden waren. Mussten diese Kinder im Gegensatz zu den Säuglingen der Judenchristen warten, bis sie ein eigenes Bekenntnis formulieren konnten und wurden erst dann getauft? Dies hätte eine Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Christenheit geschaffen, etwas dass das NT vehement ablehnt. Die Kinder der Juden wären als Mitglieder der Kirche aufgewachsen, während die Kinder der Heiden ausgeschlossen gewesen wären. Das wäre Öl auf die Mühlen der Judaisierer gewsesen und hätte die Heiden zur Beschneidung gedrängt. Sind die Säuglinge der Heiden also getauft worden? Auf jeden Fall!

Die modernen Debatten sind weit von denen des ersten Jahrhunderts entfernt. Heute stellen wir die Frage: »Willst du damit etwa sagen, dass du denkst, Heiden hätten im ersten Jahrhundert ihre Säuglinge getauft? Woher hast du das?« Damals hingegen lautete die Frage: »Willst du damit sagen, dass die Heiden ihre Säuglinge nicht beschneiden lassen müssen?« Es war eine ausgemachte Sache, dass irgendetwas mit den Säuglingen gemacht werden muss.

Warum sind unsere Debatten so falsch? Zum einen hat die historisch-grammatische Methode Schlagseite bekommen zu einer rein grammatischen Methode und der historische Kontext wurde vernachlässigt oder vergessen. Die Texte werden daher also in einem implizit modernen historischen Kontext interpretiert, denn es gibt niemals »keinen Kontext«.

Skizzieren wir zum Abschluss dieses Kapitels einen kurzer Abriss der Geschichte der Tauffrage. Es war nie eine Diskussion der Frage, ob Säuglinge in der Taufe eingeschlossen sind. Die Geschichte der Juden vor dem Kommen Christi lief über zwei Jahrtausende. Die Geschichte der Kirche nach Christus für anderthalb Jahrtausende, bevor diese Diskussion 1522 das erste mal auftauchte. Die moderne Debatte ist nicht Teil des historischen Kontexts der biblischen Lehre der Taufe. Wir missverstehen das NT, da wir diesem unsere modernen Debatten und Fragen aufgedrückt haben. Wenn wir den Kontext damals verstehen – welche Fragen und Probleme die Apostel damals adressieren mussten – dann ergibt sich, dass Säuglingstaufe angemessen und erforderlich war!

Der Ölbaum und die Triebe

Das Volk Gottes ist untereinander organisch miteinander verbunden. Dies kann eine Quelle großen Segens oder wirklicher geistlicher Bestürzung sein, abhängig vom Zustand der Kirche.

An dieser Stelle noch eine Vorbemerkung. Nach reformierter Auffassung, die diesem Buch zugrunde liegt, kann ein wahres Kind Gottes niemals wieder vollständig und endgültig vom Glauben abfallen und verloren gehen. Diese Lehre ist für Gläubige kostbar, schließt aber nicht aus, dass Menschen, die sich zum Glauben bekennen, wieder abfallen könnten. Wenn das passiert, offenbart dies aber den tatsächlichen, unbekehrten Zustand einer Person. Dieser Mensch war niemals »wahrhaft Jünger«. (Joh 8,31) Wir können daher eine Unterscheidung treffen zwischen »Jünger« und »wahrhaft Jünger«. In 1. Johannes 2,19 zum Beispiel spricht Johannes von falschen Lehrern, die vorher zur Gemeinde gehörten. Diese falschen Lehrer waren also auch »Jünger«.

Aber war ein »Jünger« dann jemals wirklich ein Jünger? Ja! Wenn ich heirate und Treue schwöre, bin ich verheiratet, auch wenn ich den Schwur nicht ernst meine und nicht ernst nehme. Ein gegebener Schwur ist bindend; wenn der Schwur eine Lüge war, ist das eine wirklich bedrückende Sünde gerade weil der Schwur bindend war. Wer den Bund verwirft, während er in diesem Bund ist, ist viel schlechter dran, als jemand, der außerhalb steht. Denn wem viel gegeben ist, von dem wird viel verlangt. (Heb 10,29) Mit dem Bruch des Bundes wird das Blut Christi als gewöhnliche Sache abgestempelt, obwohl es ihn geheiligt hatte. Dieser Mensch hatte eine gewisse Bundes-Heiligkeit, die er durch seine Unheiligkeit beschmutzt hat.

Eine häufige Annahme heutzutage ist, dass der Neue Bund einen überreichen Segen bereit hält (was richtig ist), während es auf der anderen Seite im Neuen Bund keine Flüche mehr gibt (was falsch ist). Die Größe der Erlösung und die Größe der Verdammnis dieses Bundes für diejenigen, die den Bund durch Abfall missbrauchen, hängen zusammen. (Heb 2,2-3)

Wie kann das sein? Warum ist es für Ungläubige, die vom Bund abfallen, schlimmer als für Ungläubige, die niemals in diesem Bund waren? Die Antwort hängt mit der Stellung in Christus zusammen, die erstere haben.

In Johannes 15,1-6 finden wir das Bild vom Weinstock und den Reben. Für viele stellt diese Stelle einen »Problemtext« dar. Erwählung ist eine durch und durch biblische Lehre. Wir sind Christi Besitz und er wird uns nicht verlieren. (Röm 8,31-33) Aber wenn Gottes Erwählte ihre Erlösung nicht verlieren und nicht vom Weinstock entfernt werden können, wer wird in diesen Versen dann vom Weinstock entfernt? Die Verlierbarkeit des Heils könnte eine Erklärung dieser Stelle sein, aber was ist dann mit den anderen Stellen, die die Erwählung etc. lehren? Baptisten, die an der Erwählung festhalten haben hier ein Problem: wer vom Weinstock entfernt werden soll, muss wirklich Teil dieses Weinstocks gewesen sein. Denn Christus macht hier keine leeren Drohungen; er schüchtert auch niemanden mit hypothetischen Möglichkeiten ein, die tatsächlich Unmöglichkeiten sind. Aber worüber redet Christus hier? Es werden wirklich Leute vom Weinstock entfernt. Es sind Reben, die keine Früchte tragen; diese Leute sind nicht erneuert, sonst würden sie Früchte tragen, aber sie sind mit dem Weinstock verbunden.

Wir haben bereits zwischen »Jüngern« und »wahrhaften Jüngern« unterschieden. (Joh 8,31-35) Jesus zeigt uns einen weiteren Aspekt seiner Lehre und offenbart etwas wichtiges über das In-Ihm-wohnen. Es gibt das Bild des Hauses: Der Sohn und der Sklave wohnen beide in dem Haus. Der Unterschied ist, dass der Sklave nicht für immer im Haus wohnt (permanent), der Sohn hingegen wohnt dort für immer (dauerhaft, fortwährend, ewig). Der Sklave wohnt vorübergehend im Haus, aber er wird irgendwann weggenommen. Er gehört nicht zu den Erben. Ein verwirrter Sklave könnte sich für einen Sohn halten, aber eines Tages wird die Wahrheit offenbar. Jesus stellt dem Wohnen nicht Nicht-wohnen gegenüber, sondern kontrastiert vorübergehend wohnen mit dauerhaft wohnen. Auch heute noch besteht das Haus Gottes noch aus Sklaven und Söhnen und wir sollten nicht überrascht sein, wenn der Unterschied offenbar wird.

Christus ist auch der Baum Israels. Die Juden sind das Israel Gottes und die Bibel benutzt hier das Bild des Olivenbaums. Jeder, der beschnitten war, war Teil des Baums. Als die Zeit der Heiden gekommen war, hat Gott den Baum nicht gefällt, um einen anderen Baum zu pflanzen; der Baum war überwuchert und großteils fruchtlos, aber er war immer noch erneuerbar durch den Meister-Gärtner. Eine bedeutende Minderheit der Zweige war noch gut. (Sach 13,9)

In Römer 11,16-24 beschreibt Paulus die Arbeit des Gärtners. Die abtrünnigen Juden wurden wegen ihrer Fruchtlosigkeit und ihres Unglaubens abgeschnitten. Aber warum waren sie überhaupt Teil des Baums? Wie konnte ein Ungläubiger Verbindung mit dem Olivenbaum haben, der das Israel Gottes war? Die Antwort ist einfach: Es gibt nur zwei Wege, Teil des Baums zu werden.

  1. Auf dem Baum wachsen – dies gilt für die überwiegende Mehrheit der Juden.

  2. In den Baum eingepfropft werden – dies gilt für die Heiden des ersten Jahrhunderts.

Die Kinder der Juden wuchsen an dem Baum, trotzdem brachten sie keine Früchte, obwohl sie Verbindung mit der Wurzel hatten. Und laut Paulus wird die Natur des Baums durch die Wurzel bestimmt. Der Baum wird nicht von den äußersten Zweigen getragen, daran hat Paulus die Heiden zu erinnern. Nein, die Wurzel trägt die Zweige, nicht anders herum. Und wer oder was ist die Wurzel? In Jesaja 11,10 finden wir die Antwort: Christus ist die Wurzel, die den Baum trägt.

Christus brauchte die Juden nicht, sie brauchten Ihn. Er brauchte auch die Heiden nicht, sie brauchten Ihn. Wenn die Wurzel entfernt wird, stirbt der Baum. Aber die Entfernung von Zweigen ist der gewöhnliche Weg, um den Baum zu retten und seine Fruchtbarkeit sicherzustellen. Gott kennt die Natur des Baums und hat sein Ziel mit diesem Baum: Überquellende Frucht. (Jes 27,6)

Die Bibel akzeptiert nie Fruchtlosigkeit unter denen, die eine Verbindung mit dem Baum haben. Trotzdem ermutigt sie uns, keine utopische Vorstellung von dem Baum zu entwickeln. Aber der eschatologische Baum soll uns Ermutigung sein: dieser wird voller Frucht sein.

Was die Juden betrifft, können wir sagen, dass wenn sie in israelitischer Familie geboren und am achten Tag beschnitten worden waren, wurden sie ein Teil des Baums. Das ist ein historischer Fakt. Aber die Sünde und Heuchelei bei vielen dieser Juden ist ebenfalls Fakt.

Paulus warnt die Heiden, die in den Baum eingepfropft worden sind, vor genau derselben Sünde ihrer fruchtlosen Vorgänger. Und vor denselben Konsequenzen, nämlich aus dem Baum entfernt zu werden. Jetzt hätten die Heiden doch entgegnen können: »Paulus, du hast das Wesen des Neuen Bundes noch nicht ganz verstanden, oder?« Denn diese Passage über den Gärtner, der den Baum beschneidet, kommt nur kurz nach der Zusage, dass uns nichts von Gottes Liebe trennen kann. Wie passen diese beiden Aussagen zusammen?

Es gibt einen Unterschied zwischen Erwählten und Bundesmitgliedern. Weil der Baum Gottes Volk in der Geschichte ist, hat der Baum auch nicht-erneuerte Zweige.

Und wie kommt es jetzt im christlichen Zeitalter zu diesem Zustand? Es ist noch der gleiche Baum und die Heiden erfahren dieselbe Versuchung, der auch die Juden ausgesetzt waren. Die Kinder gläubiger Eltern wachsen als Zweige auf dem Baum. Das war bei den Juden so und darüber sind sie gestolpert. Und nun warnt Paulus die Heiden vor genau diesem Punkt. Die Kinder wachsen auf und verfallen zum Beispiel dem Nominalismus.

Wenn die Kirche treu ist, wird grober Nominalismus anhand von Kirchenzucht eingedämmt. Wenn Kinder gläubiger Eltern keine Frucht bringen, müssen sie entfernt werden. Und wenn sie entfernt werden, werden sie nicht aus der Zahl der Erwählten entfernt, denn dazu gehörten sie niemals. Sie werden nichtsdestotrotz von irgendetwas entfernt.

Jeder Christ, der den Baum liebt, hasst es, wenn Heuchelei und Nominalismus den Baum überwuchern; die natürliche Reaktion ist die Beseitigung dieser Zweige. Das ist gut und das ist die Aufforderung Gottes an uns, aber wir müssen vorsichtig sein, den Weg der Bibel nicht zu verlassen. Wir sollen den Weizen nicht mit herausreißen. Wir sollen die Schafe und die Wölfe nicht zusammen bekämpfen.

Paulus lehrt nicht, dass es hinsichtlich der Mitgliedschaft am Baum einen Unterschied zwischen Juden und Heiden gibt. Es gibt vielmehr eine so große Ähnlichkeit, dass Paulus die Heiden warnen muss. Es reicht nicht aus, auf dem Baum geboren zu werden; ein Mensch muss wiedergeboren werden, er muss Frucht bringen.

In Römer 2,23-24 sagt Paulus zwei Dinge über den Nominalismus. Erstens ist der Nominalismus ein wirkliches Übel, weshalb die Außenstehenden den Bund verschmähen und verachten. Und zweitens waren die Juden im Bund mit Gott, daher fiel ihre Sünde und ihr Ungehorsam auf Gott zurück. Wenn schon Außenstehende Gott schmähen wegen unserem Verhalten, wie viel mehr greift dieses Prinzip, wenn Mitgläubige unsere Lehre und Praxis in Frage stellen.

Wenn ein Paedobaptist den Vorwurf des Nominalismus gegen die Praxis der Säuglingstaufe hört, sollte er daran keinen Anstoß nehmen sondern demütig den Kopf beugen. Dieser Vorwurf kommt nicht aus dem Nichts. Aber warum verstehen Baptisten den Bund nicht? Weil Paedobaptisten selbst ihn nicht verstehen! Wenn es eine Denomination gäbe, in der Kinder getauft würden, in der die Eltern ihre Kinder in der Ermahnung des Herrn großziehen, und diese würden treu und beständig ihren Glauben bekennen, und diese Kinder würden slber ihre Kinder wieder auf demselben Weg erziehen, dann würde jeder den Namen dieser Denomination kennen und würde Teil derselben sein wollen. Doch es gibt keine solche Gruppe, aber Gott hat verheißen, dass es dereinst eine geben wird.

Wir müssen weiterhin vom Bund sprechen, weil die Bibel es tut. Aber solange wir in unserer Erziehung nicht so leben, als würden wir wirklich an den Segen und die Verheißungen des Bundes glauben, dürfen wir nicht überrascht sein, wenn uns nur wenige zuhören.

Das Versagen der fruchtlosen Zweige darf nicht mit menschlichen Lösungen beantwortet werden. Paulus' Reaktion ist die Verherrlichung Gottes, der sich niemals ändert. In Römer 3,1-4 lesen wird sinngemäß: Auch wenn die Menschen alles verhunzen ist Gott immer noch derselbe. Der letzte bekennende Christ der Welt könnte ein Lügner sein, doch Gott ist immer noch wahrhaftig, der Baum ist immer noch Christus, und die Erde wird eines Tages voller Früchte sein. Gottes Verheißung an Abraham war nicht abhängig von der Kooperation des Menschen. Und wir sollen nicht glauben, weil wir sehen. Wir sollen glauben, weil Gott es sagt!

Fruchtlose Zweige sind ein Skandal und sollten uns traurig stimmen. Schriftgemäße Maßnahmen sind notwendig. Aber beim Versuch des, die Kirchenzucht treu auszuüben, dürfen wir niemals vergessen, dass wir die Beschneidung nicht mit derselben Intelligenz wie der Schöpfer durchführen können. Wir haben so wenig Kompetenz, dass wir nur Zweige absolut eklatanter Schlechtigkeit abschneiden sollen. Wir müssen uns gegen Fehler von zwei Seiten wehren:

  1. Gott die gesamte Arbeit des Schneidens alleine zu überlassen.

  2. Die komplette Beschneidung selber machen zu wollen.

Wir wollen auch nicht Früchte von den Leuten verlangen, bevor sie überhaupt Teil des Baumes sind.

Vater Abraham

Abraham ist der Vater aller Gläubigen. (Röm 4,9-12) Paulus zeigt uns, dass Heiden den Glauben Abrahams teilen können und daher als rechtmäßige geistige Nachkommen gelten.

Abraham erhielt die Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit, die er durch Glauben bereits hatte. Außerdem wurde er durch die Beschneidung Vater einer weiteren Gruppe von Menschen, nämlich der beschnittenen Juden, die seinen Glauben teilen.

Aber wie geht das? Was hatten sie denn gemeinsam? Abraham wurde doch als Erwachsener nach seiner Rechtfertigung, während die Juden als Säuglinge vor ihrer Rechtfertigung beschnitten wurden. Aber in der Betrachtung Paulus' hier waren beide einfach »nur« beschnitten. Und trotz dieser Unterschiede wird Abraham immer noch der Vater der Beschneidung genannt.

Als Abraham die Siegel an seinem Körper bekam, wurde er markiert als Vater aller Gläubigen, sowohl aus den Juden als auch aus den Heiden. Seine Beschneidung war nicht ein persönliches Bekenntnis seines Glaubens, es war Gottes Zeugnis, dass Abrahams Gerechtigkeit besiegelte. Das darf nicht mit seinem persönlichen Glauben verwechselt werden.

In Paulus' Denken ist der Zeitpunkt der Beschneidung in Bezug auf die Rechtfertigung nicht wichtig. Juden, die zum Glauben kommen, müssen sich nicht nochmal beschneiden lassen, um dieselbe Beschneidung wie Abraham zu haben; ihre bereits vorhandene Beschneidung entspricht dann der von Abraham. Wenn sie nie zum Glauben kommen, ist ihre Beschneidung jedoch nur eine Verstümmelung des Fleisches. (Gal 3,7) Wenn ein Jude zum rettenden Glauben gekommen war, können wir seine vorher bestehende Beschneidung als evangelikal betrachten. Die Beschneidung war eine Evangeliums-Ordnung. Diese Beschneidung wurde dauerhaft am Körper getragen. Es ging nicht um das Datum, an dem die Beschneidung durchgeführt wurde. Es geht darum, ob er jetzt beschnitten ist und ob seine Beschneidung jetzt mit der Beschneidung des Herzens korrespondiert. Solange das nicht der Fall ist, steht er unter dem Gericht Gottes.

Aber Unbeschnittensein ist kein Hindernis auf dem Weg der Errettung. Auch Abraham war ja schon gerechtfertigt bevor er beschnitten wurde. Abraham war in beiden Zuständen gerechtfertigt - unbeschnitten und beschnitten - und ist daher Vater des Glaubens für gerechtfertigte Menschen aus beiden Zuständen.

Der Taufmodus

Welche Taufmodi werden in der Bibel benutzt? Wie werden die Worte baptizo und bapto in der Bibel verwendet? Unsere Definition muss auf dem Kontext ihrer Verwendung in der Bibel basieren, nicht primär auf Lexikas. Eine lexikalische Bedeutung von baptizo ist sicherlich »untertauchen«, aber eine Studie im Kontext der Bibel zeigt, dass es noch andere Bedeutungen gibt. Es steht außer Frage, dass »untertauchen« eine biblische Form der christlichen Taufe ist, aber die Bibel macht gleichermaßen klar, dass wir die Bedeutung nicht alleine darauf beschränken können.

Übergießen

Diesen Taufmodus finden wir in den Berichten über Pfingsten in Apostelgeschichte 2 und die Bekehrung des Kornelius in Apostelgeschichte 11.

Zuerst einmal können wir feststellen, dass das Kommen des Heiligen Geistes an Pfingsten als Taufe beschrieben wird.

denn Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geist getauft werden nach nunmehr nicht vielen Tagen.

— Apostelgeschichte 1,5

Ich dachte aber an das Wort des Herrn, wie er sagte: Johannes taufte zwar mit Wasser, ihr aber werdet mit Heiligem Geist getauft werden.

— Apostelgeschichte 11,16

Gott taufte die Jünger an Pfingsten mit dem Heiligen Geist, indem er diesen über sie ausschüttete. Dies lesen wir ebenfalls in den beiden oben genannten Berichten:

[S]ondern dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist: »Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, [dass] ich von meinem Geist ausgießen werde auf alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und eure alten Männer werden Träume haben. Und sogar auf meine Knechte und auf meine Mägde werde ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie werden weissagen. […​]«

— Apostelgeschichte 2,16-18

Als ich aber zu reden begann, fiel der Heilige Geist auf sie, so wie auch auf uns im Anfang.

— Apostelgeschichte 11,15

Das Übergießen ist daher klar als biblische Art und Weise der Taufe zu sehen.

Eintauchen

Hier kann auch schnelles Untertauchen oder teilweises Untertauchen gemeint sein. Bei zwei Stellen zum Abendmahl wird das Wort bapto in diesem Sinn verwendet.

Er aber antwortete und sprach: Der mit mir die Hand in die Schüssel eintaucht, der wird mich überliefern.

— Matthäus 26,23

Jesus antwortete: Der ist es, dem ich den Bissen, wenn ich ihn eingetaucht habe, geben werde. Als er nun den Bissen eingetaucht hatte, gibt er [ihn] Judas, Simons [Sohn, dem Iskariot.

— Johannes 13,26

In beiden Stellen ist nicht vollständiges Untertauchen gemeint. Es geht hier um eintauchen (to dip) im Sinne von teilweises untertauchen.

Identifikation

Das Wort Taufe wird verwendet im Hinblick auf eine vollständige Identifikation. In 1. Korinther 10 lesen wir von der Taufe auf Mose. Es gibt bei dieser Taufe kein Wasser. Die Israeliten wurden dabei überhaupt nicht nass. Es waren ganz im Gegenteil die Ägypter die vollständig untergetaucht wurden. Dass heißt: obwohl sie trocken blieben, wurden die Israeliten auf Mose getauft. Sie wurden nicht in Mose eingetaucht, sondern sie wurden mit ihm identifiziert. Ihre Identität wurde in Mose gefunden, sie waren verpflichtet, ihm zu folgen.

Untertauchen, Übergießen und Besprengen

Der letzte Modus, den wir finden, ist eine Kombination von Untertauchen bzw. Übergießen und Besprengen zusammen.

Das Abendmahl entstand aus dem Passahmahl. Die Taufe entstand aus den Waschungen und Reinigungen des AT (Heb 9,9-10). Ein vorherrschendes Missverständnis ist, zeremonielle Reinigungen im AT seien immer durch Besprengen vollzogen worden. Dies ist nicht so, es gab auch Bäder und Waschungen.

In 4. Mose 19 finden wir das Besprengen mit Blut (V. 4), das Besprengen mit Wasser (Verse 13 und 20) und das Bad am siebten Tag um die Reinigung einer unreinen Person abzuschließen (V. 19).

Warum wird die unreine Person zuerst besprengt? Die äußerliche Reinigung, die physische Reinheit war Ergebnis dieser Zeremonie (im Gegensatz zur Taufe). Das Opfer der Färse lieferte den Israeliten die zwei Hauptkomponenten von Seife: das Fett von der Färse und die Asche des Zedernholzes. Die Unreine Person wurde also zuerst mit Seife besprengt und nahme danach ein Vollbad zur äußerlichen Reinigung.

Im Neuen Bund werden beim Abendmahl im Vergleich zum Passahmahl im Alten Bund bestimmte Elemente weggelassen. Die verbleibenden Elemente machen die Symbolik jedoch viel reicher.

Das Gleiche gilt auch für die Taufe. Die Seife zum Beispiel wird weggelassen, aber das Wasser bleibt. Eine weitere Änderung ist die wiederholende Natur der alttestamentlichen Reinigungen; diese mussten wie die Opfer ständig wiederholt werden. Christus hingegen hat ein Opfer gebracht, was ein für alle Mal gültig ist. Daher müssen wir uns nicht immer und immer wieder waschen. Das einmalige Eintauchen der Taufe soll daher nicht als Bad oder äußerliche Reinigung verstanden werden.

Zeremonielle Waschungen

In Hebräer 9,9-14 werden die Waschungen des AT mit der Taufe verbunden. Wir lesen dort von verschiedene Waschungen, wörtlich steht dort jedoch verschiedene Taufen. Für die Waschungen des AT verwendet der Schreiber des Hebräerbriefes dasselbe Wort wie für die Taufe.

In 4. Mose sehen wir, dass Baden Teil der Waschungen waren, in Hebräer 9 sehen wir Besprengen als einen Teil der Waschungen. Wenn wir zeremonielle Reinigung hören, denken wir gleich an moderne Liturgien, bei denen etwas oder jemand durch Besprengen auf geheimnisvolle Weise für »rein« erklärt wird. Im Gegensatz dazu werden bei zeremoniellen Reinigungen im AT Bakterien getötet, es wurde Seife und Wasser verwendet.

In Markus 7 sehen wir, dass die Juden dieses Thema sehr ernst nahmen. Sie haben vieles gewaschen (=getauft). Das Wasser bei der Hochzeit zu Kana, das Jesus in Wein verwandelt hat, war eigentlich für zeremonielle Reinigungen vorgesehen:

Es waren aber sechs steinerne Wasserkrüge dort aufgestellt, nach der Reinigung[ssitte] der Juden, wovon jeder zwei oder drei Maß fasste.

— Johannes 2,6

Das war genug Wasser, um eine Badewanne zu füllen, nicht nur ein klein wenig Wasser, um eine Besprengen durchführen zu können.

Das Bild des Mit-Begraben-Werdens

Die bisherigen Ausführungen zum Taufmodus sollten klar machen, dass Untertauchen ebenfalls als biblische Art der Taufe betrachtet werden sollte. Römer 6 gebraucht das Wort baptizo in einer Weise, die zumindest mit der Bedeutung untertauchen konsistent ist (V. 3-4). Paulus spricht hier von einem Begräbnis. Und Begrabenwerden heißt, dass man komplett eingeschlossen ist. Auch beim Untertauchen ist man komplett von Wasser umgeben.

Es gibt auch den schon oben erwähnten lexikalischen Beweis: untertauchen« ist eine der möglichen Bedeutungen von baptizo. Es ist daher fair, wenn wir zugeben, dass untertauchen zumindest konsistent mit dem biblischen Verständnis der Taufe ist.

Eine Kritik an unserem modernen Verständnis der Taufe als Bild des Begrabenwerdens ist, dass Begräbnisse zur Zeit Jesu vollkommen anders waren als heute. Heute denken wir in der Regel (noch) an Erdbegräbnisse, an das Begraben unter der Erde. Damals jedoch wurde Jesus in einer kleinen Kammer hinter einer Tür eingeschlossen.

Abschließend stellen wir fest: Es gibt neben dem Bild des Begraben-werdens auch noch andere Bilder für die Taufe:

Denn so viele ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen.

— Galater 3,27

Hier wird das Bild des Anziehens von Kleidung verwendet. Dazu passt der Akt des Untertauchens nicht wirklich.

Wir sollten der Taufe keine bestimmte Choreographie aufdrücken. Es ist keine Nachbildung oder dramatische Wiederholung von Christi Leiden. Der Schlüsselgedanke ist die Vereinigung und Identifikation mit Christus. Es gibt eine starke Basis in der Bibel, dass alle genannten Modi für die Taufe zu akzeptieren sind.

Ausschließlich Untertauchen?

Der Taufmodus ist im Zusammenhang des gesamten Themas dieses Buches die unwichtigste Sache und gleichzeitig könnte dieser Punkt am einfachsten von allen geklärt werden. Im vorherigen Kapitel haben wir alle in der Bibel auftauchenden Taufmodi diskutiert. In diesem Abschnitt geht es darum, noch einmal Argumente gegen den Standpunkt zu präsentieren, das Untertauchen sei der einzig zulässige Taufmodus.

Standpunkt der Baptisten wurde von James W. Dale (Classic Baptism) wie folgt zusammengefasst:

  • Baptizo hat in der gesamten griechischen Literatur immer nur ein und dieselbe Bedeutung; diese ist klar und präzise.

  • Baptizo und bapto haben exakt dieselbe Bedeutung, mit der einzigen Ausnahme von »färben«.

  • Baptizo drückt eine einzige Handlung oder eine einzige Art und Weise aus: »eintauchen«.

  • Bapitzo hat dieselbe Bedeutung bei bildlicher und wörtlicher Verwendung.

Alexander Carson schreibt: »Mein Standpunkt ist, dass es [baptizo] immer ›eintauchen‹ bedeutet; es drückt niemals etwas anderes aus als diesen einen Modus. Da ich nun alle Lexikographen und Kommentatoren gegen mich habe, sind ein oder zwei Worte zur Autorität von Lexika notwendig.«

Doch der erhobene Anspruch der Exklusivität des Untertauchens ist nachweisbar nicht wahr. Dazu drei Überlegungen zu Römer 6, denn es wird oft angenommen, dass diese Stelle Untertauchen erfordert.

  • Die Debatte ist nicht zwischen Untertauchen und Nicht Untertauchen; die Debatte ist zwischen Aussschließlich Untertauchen oder Unter Anderem Untertauchen.

  • Es gibt Gegenbeispiele, denn es werden auch andere Bilder für die Taufe verwendet. Zum Beispiel das Bild des Kleidung anziehens (Gal 3,27).

  • Christus wurde auf andere Art und Weise begraben als es bei uns heute Praxis ist.

Wie verwendet die Bibel Worte bapto und baptizo? Siehe dazu vor allem nochmal das vorhergehende über die verschiedenen Taufmodi. Beim Aspekt des Besprengens können wir nochmal weitere Punkte diskutieren.

Für das Besprengen mit Wasser finden wir Indizien im AT (Jes 52,15). Die meisten deutschen Übersetzungen übersetzen hier: ebenso wird er viele Nationen in Staunen versetzen; in den Fußnoten findet sich zum Teil die Anmerkung, dass dies auch mit ebenso wird er viele Nationen besprengen übersetzt werden kann. Sehr viele englische Bibelübersetzungen entscheiden sich für genau diese Übersetzunge: so shall he sprinkle many nations (ESV).

Diese Stelle ist nur sechs Verse von dem Vers entfernt, den der Eunuch aus Äthiopien gelesen hat, bevor er Phillipus traf. Diesen Vers hatte er sicherlich auch gelesen. Im Anschluss daran lässt er sich von Phillipus taufen. Welcher Taufmodus wäre in dieser Situation der Natürliche gewesen?

Die Präposition, die das Ins-Wasser-gehen der beiden beschreibt, sagt übrigens nichts über den Taufmodus aus; sie stiegen herab zum Wasser und kamen wieder herauf. Diese gilt sowohl für den Eunuchen als auch für Phillipus! Aber wurde Phillipus hier getauft? (Apg 8,38-39)

Auch Hesekiel redet vom Neuen Bund im Zusammenhang mit dem Besprengen mit Wasser. (Hes 36,25-26)

Das Besprengen mit Blut ist verbunden mit dem Blut Christi (1Petr 1,2; Heb 12,24; Heb 9,18-22; Heb 10,29). Das Besprengen mit dem Blut Jesu heiligt uns und ist ein biblisches Bild für Reinigung. Die Taufe ist ebenfalls mit dem Aspekt der Reinigung von Sünde verbunden (Apg 22,16). So wie wir also durch das Blut Jesu durch Besprengen gereinigt sind, kann dies auch durch den Akt des Besprengens in der Taufe ausgedrückt werden (Heb 9,14).

Der Standpunkt, ausschließlich das Untertauchen als Taufmodus ist zulässig, lässt sich im Vergleich mit der Bibel nicht aufrecht erhalten.

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1. Douglas Wilson, To A Thousand Generations. Infant Baptism: Covenant Mercy for the People of God, Moscow, ID: Canon Press, 1996
2. Elberfelder Bibel: Edition CSV Hückeswagen, Hückeswagen: Christliche Schriftenverbreitung, 2005