Zusammenfassung

Zusammenfassung

Tilmann Oestreich, 25.04.2018

Text: Matthäus 23-24

Das Evangelium des Matthäus

Entstehung

Bezüglich der Entstehung Matthäus-Evangeliums gibt es grob zwei Theorien.

Die erste Theorie ist die Zwei-Quellen-Theorie. Diese geht davon aus, dass das Markus-Evangelium zuerst geschrieben wurde. Matthäus hat dann das Evangelium nach Markus und eine weitere Quelle für sein eigenes Evangelium genutzt. Hier ist ein Argument, dass Matthäus länger ist als Markus und daher zusätzliches Material vorkommt.

Das Zeugnis der frühen Kirche geht jedoch überwiegend dahin, dass das Matthäus-Evangelium als erstes niedergeschrieben wurde. Viele Kirchväter – einschließlich z.B. Augustinus – vertraten diesen Standpunkt. Es wurde gemäß dieser Quellen zunächst in Hebräisch bzw. Aramäisch verfasst, bevor es dann ins Griechische übersetzt wurde.

Matthäus ist ein jüdisches Evangelium

Matthäus hat sein Evangelium in erster Linie für eine jüdische Leserschaft geschrieben. Er verwendet mehr als 50 direkt Zitate aus dem Alten Testament. Darüberhinaus gibt es sehr viele Anspielungen, Anklänge und Phrasen aus dem Alten Testament, die dem jüdischen Leser vertraut gewesen sind und gewisse Assoziationen geweckt haben müssen.

Es wird an einigen Stellen auch jüdisches Wissen vorausgesetzt. Ein Beispiel sind die Waschungen der Pharisäer, was für einen Juden keiner Erklärung bedarf. daher schreibt Matthäus auch einfach von diesen Waschungen und erläutert das nicht weiter (15, 1-3). Markus hingegen erläutert in dem parallelen Bericht sehr ausführlich, was es mit den Wasch-Praktiken der Pharisäer auf sich hat (Mk 7, 1-5). Markus hat hier offensichtlich nicht vorausgesetzt, dass seine römisch-hellenistische Leserschaft sich mit der jüdischen Kultur auskennt.

Matthäus ist Jerusalem-zentriert

Matthäus' Evangelium war an die Juden gerichtet. Der Großteil der Juden hat in Jerusalem und dessen Umgebung gelebt. Noch waren die Juden nicht in alle Welt zerstreut. Allein schon daraus ergibt sich automatisch eine gewisse Jerusalemzentriertheit. Aber es gibt auch innere Belege, dass Matthäus sich an Juden in Jerusalem und Umgebung gewandt hat.

Es gibt zum Beispiel lokale Bezüge auf Ereignisse in Jerusalem in Kapitel 27, 8 (der Blutacker) und 28, 11-15 (Gerüchte über den geklauten Leichnam Jesu). In beiden Fällen kommentiert Matthäus den Bericht mit: »bis auf den heutigen Tag«. Diese Aussage macht vor allem Sinn, wenn seine Leser vor Ort sind, diese Orte und Geschehnisse vor Augen haben und sie damit auch nachvollziehen und überprüfen können. Für einen Leser irgendwo in fernen Provinzen des römischen Reiches waren das erstmal nur Behauptungen, die nicht weiter überprüfbar waren.

Interessanterweise fehlt in dem Bericht in Matthäus 24, wo es um die Zerstörung Jerusalems geht, diese Aussage (»bis auf den heutigen Tag«). Dies spricht sehr stark dafür, dass sich diese Dinge noch nicht ereignet haben und damit Matthäus sein Evangelium vor 70 n. Chr. geschrieben haben muss. Der Kirchenvater Eusebius geht zum Beispiel davon aus, dass Matthäus seinen Bericht innerhalb von acht Jahren nach Jesu Himmelfahr geschrieben hat.

Struktur

Heutzutage machen wir die Struktur von Texten mit typographischen Mitteln sichtbar. Unsere Stukturierung heutzutage zielt vor allem auf den Leser der Texte ab.

Zu Zeiten der biblischen Schreiber war Schreibmaterial sehr kostspielig und damit wertvoll. Daher wurde mit »Papier« sehr platzsparend umgegangen. Typographische Mittel nach heutigem Muster wären viel zu platzintensiv gewesen und wurden daher nicht verwendet. Die Struktur der Texte wurde daher über den Inhalt, also über literarische Stilmittel, vermittelt. Damit war vielmehr der Hörer des vorgelesenen Textes im Blickpunkt bei der Textstrukturierung als der Leser. Typische Stilmittel zur Strukturierung von Texten waren Parallelismen und der Chiasmus.

Wenn wir die Struktur des Matthäus-Evangeliums analysieren, sind verschiedene Ansätze zur Gliederung möglich.

Eine erste Möglichkeit gliedert Matthäus über die fünf großen Reden Jesu, die wir in dieser Form auch ausschließlich in diesem Evangelium finden. Jede dieser fünf Reden markiert dann einen Abschnitt im Evangelium.

Eine andere Sicht auf die Struktur des Matthäus-Evangeliums ist, dass das Leben Jesu, wie Matthäus es darstellt, die Geschichte Israels rekapituliert. In der folgenden Tabelle ist eine grobe Übersicht dieser Struktur aufgezeigt. Hierbei muss man bedenken, dass die Juden ihre Heilige Schrift, unser Altes Testament, anders sortiert haben als wir in unseren heutigen Bibeln. Das jüdische Alte Testament endete zum Beispiel mit dem Buch Chronik.

Jesus Israel

Geschlechtsregister (Mt 1)

Genesis

Mt 2-4 (Taufe, Versuchung in der Wüste)

Exodus-Thema

Berpredigt (Mt 5-7)

Die Offenbarung des Gesetzes

Jesus steigt vom Berg herab und erobert das Land mit Heilungen und Dämonenaustreibungen

Josua

Mt 10, die 12 Jünger haben Anteil an der Eroberung

Widerstand durch die Pharisäer, Jesus redet in Gleichnissen

Weisheitsliteratur

Verurteilung der Schriftgelehrten und Pharisäer, Gericht über den Tempel

Propheten

Tod & Auferstehung

Exil & Rückkehr

Mt 28: Missionsauftrag

2. Chr 36: Der Befehl Kores'

Ein letzter hier betrachteter Ansatz zur Gliederung von Matthäus ist die Aufetilung des Evangeliums in zwei Bücher. Im Mittelpunkt steht Kapitel 12: dort beschließen die Pharisäer, Jesus zu töten. Das ist der Wendepunkt des Buches. Das erste Buch sind dann die Kapitel 1 bis 12, das zweite Buch die Kapitel 13 bis 28. Man kann zeigen, dass beide Bücher über Parallelisen stark verknüpft sind. Darauf soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden.

Kontext für Matthäus 24

Der räumliche Kontext des Kapitels 24 ist der Tempel des Herodes in Jerusalem. In Vers 1 und 2 kündigt Jesus an: »Hier wird kein Stein auf dem anderen stehen bleiben.« Es geht nicht um einen zukünftigen Tempel sondern um den damaligen Tempel, dessen Zerstörung Jesus hier ankündigt.

Es gibt weitere Zeitindikatoren im 24. Kapitel. In den Versen 34 und 35 wird deutlich: es geht um etwas nahe bevorstehendes. Diese Generation wird all das, wovon Jesus redet, noch erleben. Es geht um ein lokales, regionales, nationales Ereignis.

Zuerst haben wir uns auch damit beschäftigt, was vor dieser Rede Jesu geschah. Der unmittelbare Kontext ist Kapitel 23. Auch in diesem Kapitel wird die lokale, regionale Verwurzelung im Palästina des ersten Jahrhunderts deutlich.

Jesus redet von »Pharisäer« (Verse 13+15) und meint damit nicht abstrakt das Berufsbild eines Pharisäers, sondern er spricht seine Zuhörer ganz konkret an.

In Vers 34 redet Jesus von Verfolgung in Synagogen. Auch dies verortet den Text ganz eindeutig im ersten Jahrhundert. Von diesen Verfolgungen der Nachffolger Christi durch die Synagogen lesen wir in der Apostelgeschichte.

In Vers 35 und 36 wendet sich Jesus auch schon an diese Generation. Dort sind eindeutig seine Zeitgenossen gemeint, denen er schon in Kapitel 23 das Gericht ankündigt. Das Kapitel 24 detailliert dann sozusagen die hier gemachte Aussage als Antwort auf die Nachfrage der Jünger.

Am Ende beantwortet Jesus die Frage, um wen es geht und wo das geschehen soll, sehr eindeutig: in Jerusalem (Vers 37).

Der Kontext und die Vorgeschichte des Kapitels 24 spricht also sehr deutlich für lokale, regionale und im ersten Jahrhundert einzuordnende Ereignisse, von denen Jesus redet .

Die Jünger stellen Fragen

Wie kommt es zu Jesu Ausführungen in Kapitel 24 und 25? Die Jünger stellen Jesus Fragen, deshalb antwortet Er.

Das ist auch wegweisend für uns! Wenn wir Fragen haben, erschöpfen wir alle zur Verfügung stehenden Ressourcen, wir fragen Experten, aber wir vergessen oft, Jesus zu fragen. Jesus ist die Antwort auf jedes und alles. Deshalb: Vergiss nicht, den einzig wahren Experten zu fragen!

Auf Fragen gibt es Antworten. Vergiss nicht, diese Fragen zu stellen!

Aber es ist noch nicht das Ende (Verse 4-14)

Es gibt vorlaufende Zeichen, die dem angekündigten Gericht vorhergehen, aber noch nicht das Ende selbst bedeuten:

  • Falsche Christussen und Prohpeten und Verfolgung (s.a. Mt 23)

  • Kriege, Kriegsgerüchte

    • Der Pax Augusta wird in der Mitte des ersten Jahrhunderts brüchig.

    • Kriege waren daher etwas Beunruhigendes, Aufsehenerregendes für die Menschen des frühen ersten Jahrhunderts.

  • Hungersnöte

  • Erdbeben an verschiedenen Orten

    • Es geht hier nicht um eine höhere Häufigkeit!

    • siehe auch V7

  • Ausbreitung des Evangeliums in der ganzen oikumene

    • Mit oikumene wurde oft das römische Reich bezeichnet.

    • Laut dem Apostel Paulus hat sich diese Aussage Jesu im ersten Jahrhundert erfüllt (s. Röm 1,8; 10,18; 16,19; Kol 1,5-6.23; 1Thess 1,8; Apg 2,5.37.41)

Das Gräuel der Verwüstung (Verse 15-20)

Lukas erklärt den Gräuel der Verwüstung:

Matthäus 24, 15-16 Lukas 21, 20-21

Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, stehen seht an heiligem Ort […​], dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge fliehen; […​]

Wenn ihr aber Jerusalem von Heerlagern umzingelt seht, dann erkennt, dass ihre Verwüstung nahe gekommen ist. Dann sollen die, die in Judäa sind, in die Berge fliehen, […​]

Bereits die Belagerung der Römer ist das Gräuel der Verwüstung. Dies ist das Zeichen für alle Nachfolger Jesu, die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Im Vorfeld und während des jüdischen Krieges wurde Jerusalem insgesamt dreimal belagert. Dreimal also hat Gott vor dem endgültigen Ende Gelegenheit zur Flucht gegeben.

Die Große Trübsal (Verse 21-28)

Auch hier die erhellende Parallelstelle bei Lukas:

Und sie werden fallen durch [die] Schärfe [des] Schwertes und gefangen weggeführt werden unter alle Nationen; und Jerusalem wird von [den] Nationen zertreten werden, bis [die] Zeiten [der] Nationen erfüllt sind.

— Lukas 21, 24

Auch bei der Trübsal geht es um die Zerstörung Jerusalems. Der Tempel und das damit verbundene Opfersystem sind die zentralen Bestandteile des Alten Bundes, in der sich die Bundesbeziehung Gottes zu seinem Volk Israel widerspiegelt. Die bis heute unwiederbringliche Zerstörung des Tempels und des Opfersystems ist ein ganz extremer Bruch in der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Die Große Trübsal ist das Gericht Gottes an seinem Volk als Folge anhaltenden Ungehorsams bis zum Mord an ihrem Messias.

Jesus verwendet die prophetische Hyperbel als Stilmittel wie auch die Propheten an verschiedenen Stellen im Alten Testament (vgl. Ex 10,14; 11,6; Jer 30,1-10).

Eine kosmische Katastrophe (Vers 29)

Die Symbolik kosmischer Katastrophen – das Auslöschen von Sonne, Mond und Sternen – bezieht sich auf den Fall von Völkern und Reichen. Im Alten Testament wird diese Sprache in Bezug auf Babylon, Ägypten, Israel und die Nationen allgemein verwendet; auch in Bezug auf Edom wird diese Sprache verwendet.

In Joel wird diese Symbolik im Hinblick auf Israel und auch im Hinblick auf die Nationen generell verwendet. Bei der Zerstörung Jerusalems verfinsterte sich die Sonne Judas schwarz, der Mond wurde zur roten Finsternis. Mit der roten Finsternis wird ein Bezug auf das Blut-Rot in Zusammenhang mit den Opfern hergestellt. Direkt nach der Zerstörung Jerusalems hat Gott angefangen, die Nationen zu schütteln, er verdunkelt ihre Sonnen und Monde und ersetzt sie durch das Licht der Sonne der Gerechtigkeit.

Der Sohn des Menschen kommt auf den Wolken (Vers 30)

Das Kommen des Sohnes des Menschen ist dem jüdischen Hörer des 1. Jhdt. eine bekannte und vertraute Metapher. Der Gesalbte Gottes, der Größte aller Propheten, wird bestätigt und verherrlicht. Mit Ihm wird auch das wahre Volk Gottes verherrlicht. Die Feinde Gottes und seines Volkes werden besiegt. Tragischerweise steht Israel selber nun auf der Seite der Feinde Gottes und verfolgt und verwirft den Gesalbten Gottes und Seine Nachfolger.

Mit Jesu Himmelfahrt hat Gott Sein Königreich aufgerichtet. Der Gekreuzigte ist nun der Gekrönte, der zur Rechten Gottes sitzt und dem Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben (Dan 7,14) worden sind. Es gab eine Übergangszeit, während der die alten, jetzt überkommenen Ordnungen neben dem neuen Königreich – der neuen Schöpfung – noch Bestand hatten. Diese Übergangszeit dauerte etwa eine Generation; das sind nach biblischer Zeitrechnung etwa 40 Jahre. Mit der Verwüstung Israels, Jerusalems und des Tempels hat Gott …​

  • …​ das nun in Feindschaft mit ihm lebende Volk Israel gerichtet. Mit der Verwerfung des Sohnes hatten sie ihre letzte Hoffnung vertan.

  • …​ den alten Bund für alle sichtbar niedergerissen.

  • …​ den Gesalbten Gottes und Sein wahres Volk, die Kirche, verherrlicht.

Bezüglich des Menschensohnes hatte ich zwei Bedeutungen herausgearbeitet.

Erstens hat Jesus, wenn Jesus von dem Menschensohn redet, einen Hohepriester von der Art Hesekiels vor Augen. Jesus ist der Größere Hesekiel, der Hohepriester, der für sein Volk die Sühnung im Allerheiligsten erwirkt. Jesus hat von Gott Herrlichkeit und Herrschaft empfangen. Dass er diese Macht empfangen hat, stellt er mit der Verwirklichung des Gerichts an Israel und Jerusalem eindrucksvoll fest.

Zweitens sind in Jesus seine Nachfolger mit ihm in der Wolke vor den Thron getreten und haben mit und in ihm Herrlichkeit und Herrschaft und ein Königtum empfangen. Die Heiligen empfangen das Königtum, nachdem der Feind, die alte Kreatur, das abtrünnige Israel zerstört ist. Das erste Jahrhundert bis 70 n. Chr. war vor allem von Christenverfolgungen durch die Juden geprägt. Dem macht Jesus durch die Zerstörung Jerusalems ein Ende. In diesem Sinne verherrlicht er seine Braut, die Gemeinde, und gibt ihr die alleinige Autorität auf dieser Erde.

Vers 30 könnte man mit dieser Auslegung folgendermaßen schreiben:

Und zu dieser Zeit wird das Zeichen erscheinen, dass der Hohepriester im Himmel ist;
und zu dieser Zeit werden alle Stämme des Landes wehklagen,
und sie werden das Volk des Hohepriesters auf den Wolken des Himmels mit Macht und großer Herrlichkeit kommen sehen.

— Matthäus 24,30 (eigene Übertragung nach James B. Jordan)

Weitergedacht

Im Neuen Testament finden wir zwei verschiedene Arten von Prophetie.

In dem einen Fall handelt es sich um Ereignisse und Dinge, die in einer fernen und unbestimmten Zukunft liegen. Dort geht es um das Letzte Gericht und das Ende der gegenwärtigen Zeit. Diese Dinge liegen auch noch in unserer Zukunft.

Die andere Kategorie von Prophetien ist geprägt von der Erwartung kurz bevor stehender Ereignisse. Die Dinge, um die es dort geht, stehen unmittelbar bevor. Es geht in diesen Stellen (in der Regel) um die Zerstörung der alten, überkommenen jüdischen Ordnung und die damit einhergehende Zerstörung des Tempels.

Warum war dieses Thema Jesus und den Schreibern des Neuen Testaments so wichtig? Und warum werden die Juden überhaupt so hart bestraft?

Die Juden haben Jesus, den Messias getötet. In Matthäus 23,35 sagt Jesus über die Pharisäer: »damit über euch komme alles gerechte Blut, das auf der Erde vergossen wurde«. Und in Matthäus 27,25 fordern diese Pharisäer und das von ihnen aufgestachelte Volk: »Sein Blut [komme] über uns und über unsere Kinder!« Die Folge dieses Handelns und des Verharrens in Halsstarrigkeit ist Gericht. Dieses Gericht wird bereits von Jesus angekündigt. Und dass alles haargenau so eingetroffen ist wie Jesus gesagt hat, verherrlicht und beglaubigt Ihn als den größten aller Propheten und den wahren Sohn Gottes. Die Zerstörung der zur Zeit Jesu lebenden Generation war notwendig, um Jesus und sein durch die Apostel verbreitetes prophetisches Wort zu verherrlichen.

Wenn die Ereignisse um 70 n.Chr. so eine entscheidende Rolle spielen, müssen alle Bücher des Neuen Testaments vor 70 n.Chr. fertiggestellt worden sein. Es wäre sonst nicht zu erklären, dass nicht ein einziges Buch des Neuen Testaments den kleinsten Hinweis auf die Erfüllung der Worte Jesu enthält.

Schlussendlich heißt die hier vorgestellte Auslegung von Matthäus 24 auch, dass die große Trübsal kein Ereignis ist, das uns noch treffen wird.

Anwendungen

Wenn die von Jesus in Matthäus 24 angekündigten Ereignisse sich alle im ersten Jahrhundert erfüllt haben und damit in unserer Vergangenheit liegen, welche Relevanz haben diese Worte Jesu dann noch für uns? Macht es noch Sinn, dass wir uns überhaupt mit diesem Abschnitt befassen? Die Antwort lautet natürlich: »Ja«. Wir können hier trotzdem eine Menge über Gott und uns Menschen lernen.

Zum einen Lernen wir hier viel über Gottes Geduld und Zorn. Gott hatte über viele Jahrhunderte Geduld und Langmut mit seinem Volk. Immer wieder war er ihnen gnädig und treu. Aber auch Gottes große Geduld ist irgendwann erschöpft und dann kann sein Zorn schrecklich sein. Und obwohl die Juden den Sohn Gottes ans Kreuz gebracht haben wie einen Verbrecher, gibt Got Seinem Volk immer noch eine Generation Zeit zur Umkehr. Gottes Langmut war auch mit dem Tod Seines Sohnes noch nicht endgültig erschöpft. Seine Gnade hielt den Zorn und das Gericht noch eine Generation lang zurück.

Wir müssen uns, jeder für sich selbst, die Fragen stellen: Ist in meinem Leben etwas, das Gottes Geduld herausfordert? Ist etwas in meinem Leben, was ich ändern sollte, bevor Gottes Geduld erschöpft ist? Noch gewährt Gott Gnade und gibt Zeit und Raum zur Umkehr. Lasst uns diese Zeit nutzen, bevor es zu spät ist!

Ein anderer Aspekt, den wir aus dieser Rede Jesu lernen können, ist, dass sich Optimismus und Pessimismus bei uns die Waage halten muss. Jesus hat uns als seine Nachfolger in dieser Welt nicht alleine zurück gelassen. Er ist bei uns bzw. er hat uns den Tröster geschickt.

Wir sollten pessimistisch sein, was unsere Sünde und die daraus resultierenden Konsequenzen betrifft. Matthäus 24 zeigt uns deutlich, wohin Sünde und anhaltender Ungehorsam gegenüber Gott führen kann.

Optimistisch können und sollen wir sein, da unser Erlöser lebt und Er am Kreuz und durch Seine Auferstehung über unsere Sünde gesiegt hat. Und wenn Gott die Welt erschüttert oder sogar aus den Angeln hebt, dann dürfen wir voller Optimismus sein, dass Er daraus etwas Neues und Herrlicheres entstehen lassen kann.

Ein letzter Punkt, den wir hier lernen können, ist die Ermahnung zur Wachsamkeit. Die Worte Jesu markierten einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Aber wie zur Zeit Noahs nahm das Leben nach Jesu Himmelfahrt zunächst seinen gewohnten Gang. Nichts deutete darauf hin, dass Jesu Worte wahr sind und in Erfüllung gehen würden. Nichtsdestotrotz haben die Apostel den Juden das Gericht verkündet und zur Buße aufgerufen. 40 Jahre lang ist nichts passiert und 40 Jahre sind eine lange Zeit.

Aber das Gericht würde kommen. Das ist auch das Thema des 2. Petrusbriefes. Wie bei Noah gilt: die Worte des Gerichts standen im Raum, aber die Menschen haben nicht darauf gehört. So hat auch Israel im ersten Jahrhundert die Worte Jesu ignoriert. Die Zeitgenossen Noahs wurden zur Zerstörung im Gericht hinweggenommen. So wurde auch Israel weggenommen im Gericht.

Vor diesem Hintergrund können wir die Ermahnungen Jesu am Ende von Kapitel 24 verstehen:

  • Seid wachsam! (Vers 42)

  • Seid bereit! (Vers 44)

  • Seid treu! (Der treue Knecht: V45-46)

Anhaltende Ausdauer im treuen Dienst ist zu allen Zeiten die richtige Haltung und Reaktion!

Was bedeutet es für dich, bereit zu sein? Was bedeutet es für dich, eine treue Person zu sein? Welche Änderungen in deinem Leben sind notwendig, um für Jesus bereit zu sein? Jesus kommt vielleicht (meiner Meinung nach sogar wahrscheinlich) nicht zu unseren Lebzeiten wieder, aber jeder von uns wird trotzdem vor ihm stehen. Werden wir dann bereit sein?