Wir schauen uns nun zunächst die Geschehnisse im Vorfeld der Rede auf dem Ölberg an. Was ist vorher passiert? Was ist der Kontext der Rede Jesu? In Kapitel 20 beginnt Jesu Reise nach Jerusalem. An diesem Punkt steigen wir ein. Der relevante Text ist Matthäus 20-23.
Der König kommt in seine Stadt (Matthäus 20,17 – 21,11)
Und als Jesus nach Jerusalem hinaufging, nahm er die zwölf Jünger für sich allein zu sich und sprach auf dem Weg zu ihnen: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Sohn des Menschen wird den Hohenpriestern und Schriftgelehrten überliefert werden; und sie werden ihn zum Tod verurteilen und werden ihn den Nationen überliefern, damit sie ihn verspotten und geißeln und kreuzigen; und am dritten Tag wird er auferstehen.
Und als sie sich Jerusalem näherten und nach Bethphage kamen, an den Ölberg, da sandte Jesus zwei Jünger und sprach zu ihnen: Geht hin in das Dorf euch gegenüber; und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr; bindet [sie] los und führt [sie] zu mir.
Die Volksmengen aber, die vor ihm hergingen und die nachfolgten, riefen und sagten: Hosanna dem Sohn Davids! Gepriesen [sei], der da kommt im Namen [des] Herrn! Hosanna in der Höhe!
Der Sohn in seines Vaters Haus (Matthäus 21,12–17)
Und Jesus trat in den Tempel ein und trieb alle hinaus, die im Tempel verkauften und kauften; und die Tische der Wechsler und die Sitze der Taubenverkäufer stieß er um. Und er spricht zu ihnen: Es steht geschrieben: »Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden.«; ihr aber macht es zu einer Räuberhöhle. Und es kamen Blinde und Lahme im Tempel zu ihm, und er heilte sie.
Der erste Konflikt mit den Feinden Gottes
Der erste Konflikt mit den Führern Israels zeigt sich in zwei Ereignissen:
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Die Pharisäer stören sich an den Kindern, die Jesus preisen (Mt 21,15-17).
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Die Pharisäer hinterfragen die Vollmacht Jesu (Mt 21,23-27).
Gerichtsankündigung in Form von Gleichnissen (Matthäus 21,28 – 22,14)
Jesus kündigt Israel und insbesondere seinen Führern Gericht in Form von Gleichnissen an:
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Das Gleichnis vom gehorsamen und ungehorsamen Sohn. Wer tut den Willen des Vaters? Wie sieht es bei den Pharisäern und Schriftgelehrten aus? (Mt 21,28-32)
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Das Gleichnis vom Weinberg: die Pächter töten zuerst die Boten und zuletzt den Sohn des Herrn des Weinbergs. Deshalb werden die bösen Pächter getötet und ihnen der Weinberg genommen werden (Mt 21,33-46).
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Nach diesem Gleichnis sagen die Pharisäer sich selbst das schreckliche Gericht voraus.
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Die Pharisäer begreifen auch, dass sie angesprochen sind. Diese Erkenntnis führt jedoch nicht zu Buße und Umkehr. Sie halten an ihrem Kurs fest.
Zuletzt aber sandte er seinen Sohn zu ihnen und sagte [sich]: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, sprachen sie untereinander: Dieser ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten und sein Erbe in Besitz nehmen! Und sie nahmen ihn, warfen ihn zum Weinberg hinaus und töteten ihn. Wenn nun der Herr des Weinbergs kommt, was wird er jenen Weingärtnern tun? Sie sagen zu ihm: Er wird jene Übeltäter auf schlimme Weise umbringen, und den Weinberg wird er an andere Weingärtner verpachten, die ihm die Früchte abliefern werden zu ihrer Zeit.
— Matthäus 21,37-41
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Das Hochzeitsfest des Sohnes: die Geladenen Gäste wollen nicht kommen, sie misshandeln die Boten des Königs. Infolgedessen bestraft der König die unwilligen Gäste und schickt seine Boten hinaus, um andere Gäste zu laden (Mt 22,1-14).
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Mit der Misshandlung besteht eine Parallele zum vorhergehenden Gleichnis.
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In diesem Gleichnis wird die Strafe konkretisiert: Die Zerstörung der Stadt. Dies ist ja tatsächlich 70 n. Chr. passiert.
Der König aber wurde zornig und sandte seine Heere aus, brachte jene Mörder um und setzte ihre Stadt in Brand.
— Matthäus 22,7
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Der Konflikt zwischen Jesus und seinen Feinden spitzt sich zu (Matthäus 22,15–46)
Die Auseinandersetzung zwischen den rebellischen Führern des Volkes Israel und Jesus spitzt sich weiter zu. Sie versuchen Jesus in eine Falle zu locken, um etwas gegen ihn in der Hand zu haben:
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Die Pharisäer und Herodianer stellen Jesus eine Falle: Sollen dem Kaiser Steuern gezahlt werden? (Mt 22,15-22)
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Die Sadduzäer fordern Jesus heraus: Die Unsinnigkeit der Auferstehung. (Mt 22,23-33)
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Ein Gesetzeslehrer stellt die Frage nach dem größten Gebot. (Mt 22,34-40)
Jesus allerdings dreht den Spieß um und macht die Gelehrten mundtot, indem er ihnen eine Frage stellt: Wessen Sohn ist der Christus? (Mt 22,41-46)
Jesus verhängt die Strafe über das unbußfertige Volk (Matthäus 23)
Jesus warnt seine Nachfolger davor, den Weg der Pharisäer und Schriftgelehrten zu gehen. Denn dieser Weg führt unausweichlich in das Gericht (Mt 23,1-12). Danach wendet sich Jesus an die Schriftgelehrten und spricht die sieben Wehe über die sie aus (Mt 23,13-38). Am Schluß dieser Rede kündigt Jesus ein Gericht über diese Generation an:
Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, [ihr] Heuchler! Denn ihr baut die Gräber der Propheten und schmückt die Grabmäler der Gerechten und sagt: Wären wir in den Tagen unserer Väter gewesen, [so] würden wir nicht ihre Teilhaber an dem Blut der Propheten gewesen sein. Also gebt ihr euch selbst Zeugnis, dass ihr Söhne derer seid, die die Propheten ermordet haben; und ihr – macht das Maß eurer Väter voll!
[Ihr] Schlangen! [Ihr] Otternbrut! Wie solltet ihr dem Gericht der Hölle entfliehen? Darum siehe, ich sende Propheten und Weise und Schriftgelehrte zu euch; und [einige] von ihnen werdet ihr töten und kreuzigen, und [einige] von ihnen werdet ihr in euren Synagogen geißeln und werdet [sie] verfolgen von Stadt zu Stadt; damit über euch komme alles gerechte Blut, das auf der Erde vergossen wurde: von dem Blut Abels, des Gerechten, bis zu dem Blut Sacharjas, [des] Sohnes Berekjas, den ihr zwischen dem Tempel und dem Altar ermordet habt. Wahrlich, ich sage euch, dies alles wird über dieses Geschlecht [oder: diese Generation] kommen.
Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen; denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: »Gepriesen [sei], der da kommt im Namen [des] Herrn!«
Was sagt Jesus hier?
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Die zur Zeit Jesu lebenden Juden machen das Maß der Ungerechtigkeit voll (Mt 23,31.32).
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Seine Hörer sind weiterhin - wie ihre Vorfahren - unbußfertig (Mt 23,34).
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Jesus verhängt eine Strafe über diese Generation (Mt 23,36.38).
Jesus kündigt diesem Geschlecht bzw. dieser Generation ein Gericht an. Mit dieser Aussage sind seine Zuhörer, das sind insbesondere die Führer des Volkes, angesprochen. Dies passt auch zum biblischen Verständnis einer Generation, welches etwa 40 Jahren entspricht: die Generation »Mose« durfte nicht in das verheißene Land, daher musste das Volk 40 Jahre in der Wüste umherziehen (s. 4Mo 14). Dieses angekündigte und kurz bevorstehende Gericht wird weiterhin deutlich durch den Kontrast zwischen Mein Haus und Euer Haus: Gott verlässt den Tempel, wodurch dieser seine Bedeutung als Heiligtum verliert. Für die Juden, also auch für die Jünger, ein unvorstellbarer Gedanke!
In Matthäus 21,13 lesen wir »Mein Haus wird ein Bethaus genannt werden«, während es in Matthäus 23,38 heißt: »Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen.«