Der König im Haus des Brotes (2,1-13)

Der König im Haus des Brotes (2,1-13)

Tilmann Oestreich, 19.06.2024

Matthäus 2,1-12 greift zentrale Themen des Evangeliums auf und bringt sie in eine größere Heilsgeschichte ein: »Von wem stammt der Messias ab?« (Kapitel 1) und »Woher kommt der Messias?« (Kapitel 2). Während Kapitel 1 den Stammbaum Jesu als Sohn Abrahams und Davids offenbart – den Träger der Verheißungen und ihre Erfüllung zugleich --, rückt Kapitel 2 den Ort der Geburt in den Fokus. Bethlehem, das »Haus des Brotes«, wird durch die Geburt des Messias zum Zentrum des göttlichen Heilsplans.

Doch der Text zeigt uns mehr als die Geburt Jesu. Er stellt verschiedene Reaktionen auf den neugeborenen König dar: Herodes und die Schriftgelehrten einerseits, die Weisen aus dem Osten andererseits. Diese Gruppen verkörpern unterschiedliche Haltungen, die uns auch heute etwas über unser eigenes Verhältnis zu Jesus lehren können.

Die drei Hauptgedanken der Predigt sind:

  1. Kleines wird groß – Bethlehem und die Prophetie.

  2. Macht macht blind – Herodes und die Schriftgelehrten.

  3. Bete den König an – Die Weisen aus dem Osten.

1. Kleines wird groß – Bethlehem und die Prophetie

»Und du, Bethlehem-Ephrata, zu klein, um unter den Tausenden von Juda zu sein, aus dir wird mir hervorkommen, der Herrscher über Israel sein soll.« (Micha 5,1)

— Micha 5,1

Bethlehem war zur Zeit Jesu eine kleine, unbedeutende Stadt. Sie lag im Schatten Jerusalems, der einstigen Stadt Davids, die mittlerweile von König Herodes regiert wurde. Doch genau dieses kleine Bethlehem wird in Micha 5,1 als Geburtsort des Messias angekündigt. Matthäus betont dies dreimal in diesem Abschnitt (Vers 1, 5 und 6) – ein Hinweis darauf, dass Gott sein Handeln oft in kleinen und scheinbar unscheinbaren Dingen offenbart.

Die Prophetie aus Micha erinnert daran, dass Gott stets seine Verheißungen erfüllt, selbst wenn die äußeren Umstände anders scheinen. Zu Zeiten Jesu war die Davidsdynastie nicht mehr auf dem Thron, sondern der grausame Herodes, ein Nachkomme Esaus, herrschte über das Land. Doch Gott lässt seine Zusagen nicht vergehen. Der wahre König aus dem Hause Davids wird in Bethlehem geboren.

Interessant ist die Veränderung, die Matthäus in der Prophetie vornimmt. Während Micha Bethlehem als klein und unbedeutend beschreibt, verwendet Matthäus Worte, die Bethlehem als bedeutend und ruhmreich darstellen. Beides ist wahr:

  • Bethlehem war historisch unbedeutend, sogar zeitweise verachtet. Im Buch der Richter ist es der Schauplatz moralischer Abgründe.

  • Doch Bethlehem wurde zum Geburtsort Davids, des Königs Israels, und später des größeren Davids – des Messias.

Bethlehem wird durch die Geburt Jesu vom Rand der Geschichte zum Zentrum der Welt. Dies zeigt uns ein vertrautes Muster: Gott erwählt das Kleine, Niedrige und Schwache, um Großes zu tun. Paulus schreibt dazu:

»Das Törichte der Welt hat Gott auserwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt, damit er das Starke zuschanden mache.« (1. Korinther 1,27)

— 1. Korinther 1,27

In Bethlehem sehen wir diese Wahrheit erfüllt. Gott hebt das Kleine empor und macht es groß – genauso, wie er Menschen beruft, die bereit sind, in ihrer Schwäche seine Größe leuchten zu lassen.

2. Macht macht blind – Herodes und die Schriftgelehrten

»Es kann nur einen König geben!« Dieses Motto scheint die treibende Kraft hinter Herodes’ Handeln zu sein. Als er von den Weisen erfährt, dass ein neuer König der Juden geboren wurde, ist er zutiefst erschüttert. Seine Angst, Macht zu verlieren, treibt ihn zu grausamen Taten.

Herodes war ein Machtherrscher, der vor nichts zurückschreckte, um seine Position zu sichern. Er ließ Familienmitglieder ermorden, darunter seine eigene Frau und seine Söhne, und unterdrückte jeden Widerstand. Schließlich geht er so weit, die Kinder von Bethlehem zu töten, um den vermeintlichen Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.

Herodes ist ein Beispiel dafür, wie Macht blind machen kann. Er erkennt die Bedeutung des neugeborenen Königs, doch statt ihn anzuerkennen, kämpft er gegen ihn. Sein Handeln zeigt, wie Stolz und Eigeninteresse den Blick für das Wesentliche verstellen können.

Ebenso tragisch ist die Reaktion der Schriftgelehrten und Priester. Obwohl sie die Prophetien kennen und Herodes die korrekte Antwort auf seine Frage geben, handeln sie nicht. Sie bleiben in Jerusalem, statt sich selbst auf den Weg nach Bethlehem zu machen, um den Messias zu begrüßen.

Diese Passivität ist nicht weniger verurteilenswert als Herodes’ aktives Handeln. Beide Gruppen hören die Botschaft, doch sie reagieren nicht im Glauben.

Jesus spricht später über solche Menschen:

»Wer diese meine Worte hört und sie nicht tut, der wird mit einem törichten Mann verglichen, der sein Haus auf den Sand baute.« (Matthäus 7,26)

— Matthäus 7,26

Die Schriftgelehrten wussten alles, aber taten nichts. Herodes glaubte der Botschaft, aber benutzte sie für seine eigenen Zwecke. Beide Gruppen fordern uns auf, unser eigenes Herz zu prüfen:

  • Bin ich wie Herodes, der sich Gottes Herrschaft widersetzt, um mein eigener Herr zu sein?

  • Oder bin ich wie die Schriftgelehrten, die wissen, was richtig ist, aber nicht danach handeln?

3. Bete den König an – Die Weisen aus dem Osten

Im Gegensatz zu Herodes und den Schriftgelehrten stehen die Weisen aus dem Osten. Diese Männer, Heiden aus einem weit entfernten Land, zeigen, was es bedeutet, den Messias zu suchen und anzubeten.

Die Weisen reisen eine weite und beschwerliche Strecke, geleitet von einem Stern, um den neugeborenen König zu finden. Ihre Geschenke – Gold, Weihrauch und Myrrhe – sind mehr als nur kostbare Gaben. Sie sind prophetische Symbole:

  • Gold steht für die Königswürde Jesu.

  • Weihrauch symbolisiert seine priesterliche Rolle.

  • Myrrhe deutet bereits auf seinen Tod hin.

Die Weisen sind ein starkes Bild für den Glauben, der nicht nur hört, sondern handelt. Sie verkörpern die Prophetie aus Jesaja 60:

»Steh auf, leuchte; denn dein Licht ist gekommen, und die Herrlichkeit des HERRN ist über dir aufgegangen! …​ Nationen wandeln zu deinem Licht hin, und Könige zum Glanz deines Aufgangs.«

— Jesajs 60,6

Die Haltung der Weisen fordert uns heraus: Sind wir bereit, unser Leben – unsere Zeit, Energie und Hingabe – dem König der Könige zu schenken?

Schluss: Das Brot des Lebens im Haus des Brotes

Zum Schluss kommen wir zurück zu Bethlehem – dem »Haus des Brotes«. Jesus, das »Brot des Lebens«, wird in dieser Stadt geboren. Er selbst sagt:

»Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, wird niemals dürsten.«

— Johannes,6,35

Die Geburt Jesu in Bethlehem zeigt, wie Gott Geschichte schreibt. Jesus ist das Brot, das vom Himmel gekommen ist, um der Welt Leben zu geben.

Im Abendmahl erinnern wir uns daran, dass Jesus sein Leben für uns gegeben hat. Das Brot, das wir brechen, ist ein Zeichen seiner Gegenwart und eine Einladung, an seinem Leben teilzuhaben. Paulus schreibt:

»Denn sooft ihr dieses Brot esst und den Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.«

— 1. Korinther 11,26

Lasst uns wie die Weisen kommen, den König anbeten und das Brot des Lebens empfangen, das uns ewiges Leben schenkt.