Am Anfang des Matthäus Evangeliums beantwortet die Frage: »Warum ist Jesus der Messias?« Warum können wir uns sicher sein, dass Er der Messias ist? Woran können wir das erkennen? Darum drehen sich die ersten zwei Kapitel des Evangeliums.
Der erste Abschnitt (Verse 1-17) zeigt uns den Stammbaum Jesu und damit den Ursprung des Messias. Damit macht uns Matthäus deutlich, dass Jesus der Sohn Davids ist. Aber am Ende des Stammbaums steht die Geburt durch Maria. Der Stammbaum beginnt die Frage nach dem Ursprung des Messias zu beantworten, aber er endet erstmal mit einem riesigen Fragezeichen: Jesus, Sohn der Maria. Wie kann Jesus denn unter diesen Umständen der Sohn Davids und damit der Messias sein? Die Antwort auf diese Frage finden wir im nächsten Abschnitt, den wir uns hier jetzt genauer anschauen werden (1,18-2,23).
In der zweiten Hälfte des ersten Kapitels (ab Vers 18) und im kompletten zweiten Kapitel finden wir fünfmal den Ausdruck »es steht geschrieben«. Matthäus zeigt uns hier jetzt auf Basis der Schriften, dass Jesus der Messias ist.
Unser Abschnitt heute dreht sich um ein Zitat aus Jesaja 7. Darin dreht sich alles um Namen. Und Matthäus eröffnet diesen Abschnitt in Vers 18 mit zwei Worten, die den Fokus direkt auf das Thema lenken:
Das erste Wort (im Griechischen) in Vers 18 ist Messias (gr. Christus). Die Satzstellung ist im Griechischen unnatürlich, wodurch das Wort Messias umso stärkere Betonung erhält und Matthäus uns sozusagen mit der Nase drauf stößt, um was es hier geht.
Das zweite Wort wird im Deutschen oft mit Geburt übersetzt. Im Griechischen steht dort wieder dasselbe Wort, mit dem Matthäus sein Evangelium begonnen hat: genesis (γενέσις). Geburt ist in dem Wort genesis durchaus impliziert und es kann so übersetzt werden; aber wenn Matthäus hier wirklich primär über die Geburt schreiben wollte, gäbe es dafür andere Begriff im Griechischen. Matthäus schildert uns hier die Geburt Jesu selber auch gar nicht direkt. Die Geburt ist hier im Text ja nur implizit das Thema. Das Wort genesis meint eigentlich »das Geschlecht« oder »die Abstammung«. Und genau darum geht es Matthäus hier: er zeigt uns die Abstammung, den Ursprung des Messias als den Sohn Davids.
Namen
In diesem Abschnitt geht es viel um Namen. Ich möchte auf zwei Aspekte eingehen.
Gib ihm den Namen …
Josef wird von dem Engel aufgefordert, Jesus seinen Namen zu geben (Vers 21) und es wird berichtet, wie er dies dann auch tut (Vers 25). Insgesamt taucht dieses Motiv in diesem kurzen Abschnitt dreimal auf:
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Aufforderung des Engels (du sollst, Vers 21)
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Zitat aus Jesaja (wie geschrieben steht, Vers 23)
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Umsetzung durch Josef (und er nannte, Vers 25)
Das Vergeben des Namens war die Aufgabe des gesetzlichen Vaters. Damit verlieh dieser dem Kind auch gleichzeitig das Erbrecht. Das Josef dem Kind Marias den Namen gibt, war sozusagen die Adoption Jesu durch Josef. Damit wurde Jesus in die Linie Davids hineingenommen. Jesus ist der Sohn Davids. Deshalb wird dieser aus unserer heutigen Sicht so unbedeutende Aspekt hier von Matthäus so stark betont.
Wir sehen die Wichtigkeit des Namengebens zum Beispiel auch bei Zacharias und seinem Sohn Johannes (der Täufer). Obwohl Zacharias stumm war stand außer Frage, dass er dem Kind den Namen gibt.
Im Alten Testament finden wir bei Jesaja auch eine ganz prominente Stelle, bei der es um den Namen und das damit verbundene Eigentumsrecht des Namensgebers (-rufers) geht:
Und nun, so spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe [dich] bei deinem Namen gerufen, du bist mein.
(Hervorhebung von mir)
Emmanuel und Jesus
Emmanuel hat die Bedeutung »Gott mit uns« oder »Gott ist uns nahe«. Jesus hingegen bedeutet »Erlösung«. Matthäus verknüpft hier also gleich zu Beginn seines Evangeliums diese beiden sehr wichtigen Themen: Erlösung kommt durch Gott-mit-uns oder Gott-mitten-unter-uns.
Jesus ist Gott-mit-uns er ist der »menschgewordene Gott um mit Seinem Volk zu sein und es zu erlösen«. Dieser Gedanke ist hier noch sehr subtil und wird nicht explizit geäußert. Im Verlauf des Buches macht uns Matthäus diese Wahrheit aber immer deutlicher. Und so finden wir Gott-mit-uns wie zwei Buchdeckel am Anfang und am Ende des Matthäus Evangeliums:
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In Kapitel 1 wird uns Jesus als der Emmanuel vorgestellt, »Gott mit uns«
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Ganz am Ende sagt Jesus in 28,20: »Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.« (Hervorhebung durch mich.)
Der menschgewordene Gott ist gekommen um mit Seinem Volk zu sein und es zu erlösen.
Der Ursprung
Wie bereits oben erwähnt verwendet Matthäus in Vers 18 das griechische Wort Genesis (γενέσις). Oft wird dies nicht ganz korrekt mit Geburt übersetzt. Das ist allerdings nicht, worum es Matthäus hier geht. Er berichtet nicht einfach von Jesus Geburt, sondern er will uns die Abstammung und den Ursprung von Jesus zeigen: woher kommt Jesus? Und da wird uns hier der Heilige Geist gezeigt. Der Heilige Geist, Gott selber, ist der Urheber von Jesus.
Außerdem sehen wir durch diesen Begriff wie schon direkt in Vers 1 das Thema Schöpfung. Um genauer zu sein: die neue Schöpfung. Der Heilige Geist wird zweimal erwähnt (in Versen 18 und 20). So wie in Genesis 1 der Heilige Geist über der Erde schwebte, so kommt bzw. schwebt der Heilige Geist hier bei Matthäus über Maria. Sowohl in Genesis als auch in Matthäus finden wir einen schlafenden Mann, der nach seinem Schlaf seine Frau empfängt (Adam) bzw. zu sich nimmt (Josef). Und als weitere Parallele sehen wir sowohl Adam als auch Josef, die von Gott die Aufgabe erhalten, etwas (Tiere) bzw. jemandem (Jesus) einen Namen zu geben. Matthäus schafft also hier in Kapitel 1 mehrere Parallelen zu Genesis 1-3.
Was ist die Botschaft, die Matthäus uns damit vermitteln will?
Gott ergreift in Jesus die Initiative: er macht einen ein Neuanfang mit einer Neuen Schöpfung. Die Geburt Jesu ist eine Neue Schöpfung, durch die Gott selbst in diese Welt zu uns Menschen kommt und uns Erlösung bringt. Gott selbst muss in diese Welt kommen. Nur auf diesem Weg ist Erlösung möglich. Wir Menschen können Erlösung niemals bei oder durch uns selber finden. Nicht durch politische oder wirtschaftliche Systeme, nicht durch Erziehung und Bildung. Erlösung kann immer nur von außerhalb zu uns Menschen kommen.
Jesaja 7
In Vers 23 zitiert Matthäus Jesaja 7,14. Um die tiefere Bedeutung dieses Zitats zu verstehen, müssen wir uns den Kontext von Jesaja 7 anschauen:
König Ahas regiert zu dieser Zeit in Juda und wird von Israel und Syrien bedroht, weil er nicht in die Allianz gegen Assyrien einwilligen will. In diese Situation hinein spricht Jesaja die Worte Gottes. Seine Botschaft an Ahas ist: »Tu nichts und fürchte dich nicht. Gott wird die Pläne der Feinde Judas nicht zustande kommen lassen. Und nun fordere ein Zeichen von Gott, Ahas.«
Aber der böse Ahas stellt sich fromm: »Nein, das mache ich nicht. Ich will den HERRN nicht versuchen.«
Aber gerade diese Haltung ist »Gott versuchen«. Und dennoch gibt Gott Ahas ein Zeichen:
Da sprach er: Hört doch, Haus David! Ist es euch zu wenig, Menschen zu ermüden, dass ihr auch meinen Gott ermüdet? 14 Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären und wird seinen Namen Immanuel nennen.
Das Zeichen als positive Botschaft
Wenn die Jungfrau den Sohn »Mit uns Gott« bekommt und bevor er groß geworden ist, wird Gott sein Volk errettet haben. Gott ist mit uns im Kampf gegen Israel und Aram. Gott steht auf der Seite seines Volkes und lässt es nicht im Stich. (Jes 7,16) Jesus ist ein neuer Emmanuel, ein neuer Mit-uns-Gott. Aber der Feind, den er besiegt ist größer als Ägypten, Philister, Assyrer, Babylonier oder Römer: Dieser Emmanuel besiegt die Sünde. (Vers 21)
Das Zeichen als negative Botschaft
Die negative Botschaft an Ahas ist: Weil er Gott nicht gehorcht, wird er gerichtet werden. Ahas gibt vor, Gott durch ein Zeichen nicht versuchen zu wollen. Er gibt sich fromm. Aber mit seinem ganzen Leben versucht er Gott: er betet Götzenbilder an und lässt im Tempel sogar einen Altar nach einem Vorbild aus Damaskus bauen. Seine scheinbare Frömmigkeit ist in Wirklichkeit Ausdruck seines Unglaubens. Das Zeichen des »Gott mit uns« ist deshalb nicht nur ein Zeichen des Sieges sondern auch eines bevorstehenden Gerichts. Gott wird die Feinde aus Israel und Syrien besiegen, aber ein größerer Feind wird kommen: Assyrien und Babylon.
Die Geburt des Kindes Emmanuel heißt: Gott ist mit Juda. Aber die Präsenz Gottes kann sowohl tröstlich als auch verdammend sein, abhängig vom Glauben und Gehorsam seines Volkes. Wenn Gott einem treulosen, ungehorsamen Volk begegnet, kann das nur Zerstörung bedeuten.
Wie ist die Situation zur Zeit Jesus-Emmanuels? In welchem Zustand ist das Volk? Antworten auf diese Frage bekommen wir, wenn wir schon einen kleinen Blick voraus in Kapitel 2 werfen.
Herodes ist ein neuer Ahas
Herodes ist wie König Ahas. Ein böser Herrscher, der Frömmigkeit vortäuscht, weil er den neuen König der Juden kennenlernen möchte, um ihm zu huldigen. In Wahrheit aber plant er seine Vernichtung, da seine eigene Herrschaft bedroht ist. Er ist der König, der das Emmanuel-Zeichen ablehnt.
Herodes Macht ist durch den neuen, verheißenen König herausgefordert. Das Kommen Jesu und die Aufforderung ihm nachzufolgen ist daher nicht nur Privatsache sondern erschüttert die Welt in ihren Grundfesten und fordert sie in allen Lebensbereichen heraus; auch in der Politik! Auch heute noch erschüttert die christliche Botschaft die Welt und fordert sie heraus.
Das die Magier aus dem Osten kommen, ist wie die bevorstehende Invasion durch die Assyrer, von der Jesaja 7 redet und für das der kommende Emmanuel ein Zeichen ist. Aber Matthäus stellt das auf den Kopf: nachdem der König in Jerusalem das Zeichen des Emmanuel ablehnt, kommen die Heiden, um denjenigen anzubeten, dem Herodes die Anbetung verweigert. Jesu Geburt ist ein Zeichen: Juden verwerfen es, Heiden nehmen es an. Bereits im Stammbaum, mit dem Matthäus sein Evangelium beginnt, waren vier heidnische Frauen enthalten und haben dieses Thema aufgebracht. Hier wird es nun mit den vier heidnischen Magiern wiederholt. Damit ist auch in dieser Geschichte bereits angedeutet, was im weiteren Evangelium ausgebreitet wird: die große Umkehrung der Dinge.
Alle, die Emmanuel – Gott-mit-uns – vertrauen, ihm glauben und gehorchen, werden im Angesicht aller ihrer Feinde bestehen: im Angesicht Roms, Assyriens, Pekahs und Remaljas. Aber noch viel wichtiger: im Angesicht der Sünde, Satans und des Todes. Aber die Mächtigen und Reichen, die Gott widerstehen und ihrem Unglauben dann auch noch einen frommen Schein geben, werden von Gottes Gericht bedroht. Die einzige richtige Antwort auf das Zeichen Emmanuels ist: Demut, Buße und Glaube. Emmanuel ist gekommen: Gott-ist-mit-uns, ja Gott-ist-mit-Dir; Gott-ist-uns-nahe, ja Gott-ist-dir-nahe: tue Buße und glaube der guten Botschaft!
Das ist Matthäus' Botschaft!