Die Geburt Jesu Christi aber war so: Als Maria, seine Mutter, mit Joseph verlobt war, fand es sich, ehe sie zusammengekommen waren, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Da aber Joseph, ihr Mann, gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, gedachte er sie heimlich zu entlassen. Als er aber dies überlegte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sprach: Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn das in ihr Gezeugte ist von dem Heiligen Geist. Sie wird aber einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen; denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden. Dies alles geschah aber, damit erfüllt würde, was von dem Herrn geredet ist durch den Propheten, der spricht: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel nennen“, was übersetzt ist: Gott mit uns. Joseph aber, vom Schlaf erwacht, tat, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich; und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte; und er nannte seinen Namen Jesus.
Die Umstände der Geburt Jesu zeigen uns unmittelbar zwei Dinge:
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Jesus ist wahrhaftig Mensch und
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Jesus ist wahrhaftig Gott.
Er wurde von der Jungfrau Maria geboren. Dass er von einer Frau, einem Menschen, geboren wurde, zeigt uns sein vollkommenes, wahrhaftiges Menschsein. Dass diese Frau eine Jungfrau war, stellt uns seine Gottheit vor Augen.
Der Bericht von Jesu Geburt bei Matthäus ist relativ kurz und bei ihm steht Josef sehr viel mehr im Fokus als in dem Bericht bei Lukas. Und auf Josef werde ich in meiner Auslegung den Fokus legen. Den Matthäustext behandle ich in vier Abschnitten:
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Die schändliche Nachricht
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Die gerechte Reaktion
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Die Offenbarung durch den Engel
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Gottes Wege sind unergründlich
Die schändliche Nachricht
Matthäus macht uns direkt zu Beginn darauf aufmerksam, dass Maria und Josef miteinander verlobt waren. In der damaligen Kultur war eine Verlobung rechtlich verbindlich im Hinblick auf die spätere Eheschließung. Der Zeitraum der Verlobung konnte bis zu einem Jahr andauern. In dieser Verlobungszeit wurde die Ehe noch nicht vollzogen. Eine Schwangerschaft war also ausgeschlossen.
Josef erfährt nun während dieser Verlobungszeit von der Schwangerschaft seiner zukünftigen Frau Maria. Da er ein rechtschaffener Mann war und die Ehe mit Maria noch nicht vollzogen hatte, konnte das Kind, mit dem Maria nun schwanger war, auf keinen Fall von ihm stammen. Die Situation muss für ihn wie Untreue und Betrug seitens Maria ausgesehen haben. Was hat er in dieser Situation wohl gedacht und wie hat er sich in dieser Situation gefühlt? War er verletzt und wütend? Dies war vielleicht der Fall. Aber auch wenn dem so gewesen wäre, hat er sich von diesen Gefühlen im Umgang mit dieser Situation nicht leiten lassen.
Vom Gesetz her war die Lage eindeutig. Eine Frau, die während ihrer Verlobungszeit mit einem anderen Mann sexuellen Kontakt hatte, wurde nach dem Gesetz mit dem Tod bestraft (ebenso der Mann). Wir finden das entsprechende Gesetz in Deuteronomium 22:
Wenn ein Mädchen, eine Jungfrau, einem Mann verlobt ist, und es findet sie ein Mann in der Stadt und liegt bei ihr, so sollt ihr sie beide zum Tor jener Stadt hinausführen und sie steinigen, dass sie sterben: das Mädchen deshalb, weil sie nicht in der Stadt geschrien hat, und den Mann deshalb, weil er die Frau seines Nächsten entehrt hat. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.
Josef hätte also darauf drängen können, den Mann, mit dem Maria ihn scheinbar betrogen hatte, ausfindig zu machen, und diesen und Maria vor den Toren der Stadt zu steinigen. Dies hätte natürlich bedeutet, die ganze Angelegenheit öffentlich zu machen. Die ganze Stadt hätte von Marias scheinbarer Untreue erfahren. Im ganzen Umland hätte sich diese schändliche Nachricht verbreitet. Obwohl Maria kein Unrecht begangen hatte, war sie in einer Situation voller Scham und musste befürchten, öffentlich bloßgestellt zu werden.
Die gerechte Reaktion
Aber das Gesetz bietet eine Alternative:
Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet, und es geschieht, wenn sie keine Gnade in seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat, dass er ihr einen Scheidebrief schreibt und ihn in ihre Hand gibt und sie aus seinem Haus entlässt.
Es gab die Möglichkeit, seiner Frau den Scheidebrief zu geben, wenn man etwas Anstößiges an ihr findet. Und auch wenn Josef vielleicht zutiefst verletzt, enttäuscht oder auch wütend war, so wählte er diesen Weg des Umgangs mit der Situation. Wir lesen, dass er »sie nicht bloßstellen wollte [und] gedachte sie heimlich zu entlassen« (V19). Nach dem Gesetz war dies ein legitimer Umgang mit Ehebruch und Untreue. Und Josef hat sich dazu entschieden, seine Frau nicht in aller Öffentlichkeit bloß zu stellen und ihre scheinbare Schande allen offenbar zu machen. Er wollte auch nicht ihren Tod.
Für ihn war es aber auch keine Option, nichts zu tun. Der Ehebruch stand im Raum. Als gerechter Mann, der sich offenbar bemühte, das Gesetz zu erfüllen, wollte er keine Ehe auf dem Fundament der Untreue bauen. Deshalb wollte er sich von Maria trennen, diese Trennung aber im Geheimen und mit möglichst wenig Gesichtsverlust für Maria vollziehen.
Das ist der Grund, warum Josef in Vers 19 »gerecht« genannt wird. Er war gerecht, weil er Gottes Gesetz ernst nahm und danach leben wollte. Und gleichzeitig sehen wir in der Art und Weise, wie er mit dieser Situation umgeht und wie er Maria behandelt, dass er ein Mann voller Mitgefühl und Barmherzigkeit war. Er ist nicht auf Rache und Vergeltung aus, er sucht nicht die öffentliche Demütigung seiner Verlobten, die ihn doch scheinbar betrogen hat. Nein, er deckt ihre Schuld zu. Er wählt nicht die größtmögliche Strafe, die das Gesetz zulassen würde. Er wählt den Weg mit den geringeren Konsequenzen für Maria und ohne ihre öffentliche Bloßstellung.
Josef war als der irdische Vater Jesu ein ganz integraler Bestandteil des Lebens Jesu. Und wir sehen hier in dem Verhalten Josefs, was für ein hervorragender Vater Josef war. Sein Handeln war ein wunderbares Vorbild an Gerechtigkeit, Mitgefühl und Barmherzigkeit für seinen Sohn Jesus. Und in Jesu Leben sehen wir, wie sich dieses Verhalten wiederspiegelt. Erinnern wir uns an die Begebenheit, die uns Johannes in seinem Evangelium berichtet:
Jesus aber ging an den Ölberg. Frühmorgens aber kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm; und er setzte sich und lehrte sie. Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau zu ihm, im Ehebruch ergriffen, und stellen sie in die Mitte und sagen zu ihm: Lehrer, diese Frau ist im Ehebruch, bei der Tat selbst, ergriffen worden. In dem Gesetz aber hat uns Mose geboten, solche zu steinigen; du nun, was sagst du? Dies aber sagten sie, um ihn zu versuchen, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst einen Stein auf sie. Und wieder bückte er sich nieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber dies hörten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus, anfangend von den Ältesten biszu den Letzten; und Jesus wurde allein gelassen mit der Frau in der Mitte. Als Jesus sich aber aufgerichtet hatte und außer der Frau niemand sah, sprach er zu ihr: Frau, wo sind sie, deine Verkläger? Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht; geh hin und sündige nicht mehr!
Hier wurde eine Frau zu Jesus gebracht und ihre Schuld und Schande von ihren Anklägern öffentlich bloßgestellt. Aber Jesus wurde in diesem Moment nicht zu ihrem Richter sondern er wurde ihr Erlöser. Er begegnete dieser Frau mit Mitgefühl und Barmherzigkeit. Aber war Jesus in dieser Sache auch gerecht? Immerhin waren die Ankläger doch im Recht, die Verurteilung dieser Frau zu fordern, oder nicht? Hat Jesus hier nicht das Gesetz gebrochen, um der Frau mit Barmherzigkeit zu begegnen? Nein, ganz im Gegenteil!
Im Fall von Ehebruch fordert das Gesetz den Tod der Frau und des Mannes (Dtn 22,22). Wenn es den Anklägern also in erster Linie um die Erfüllung des Gesetzes gegangen wäre, hätten sie die Frau und den Mann zur Verurteilung bringen müssen. Aber offensichtlich ging es den Anklägern nicht um wahrhaftige Gerechtigkeit sondern darum, die Frau öffentlich vorzuführen und Jesus herauszufordern und auf die Probe zu stellen. Sie waren also unehrliche und damit ungerechte Zeugen. Und auch dazu hat das Gesetz etwas zu sagen:
Wenn ein ungerechter Zeuge gegen jemand auftritt, um ein Vergehen gegen ihn zu bezeugen, so sollen die beiden Männer, die den Streit haben, vor den Herrn treten, vor die Priester und die Richter, die in jenen Tagen da sein werden. Und die Richter sollen genau nachforschen; und siehe, ist der Zeuge ein falscher Zeuge, hat er Falsches gegen seinen Bruder bezeugt, so sollt ihr ihm tun, wie er seinem Bruder zu tun beabsichtigte; und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen.
Durch die Falschheit bei ihrem Vorgehen disqualifizierten sich die Ankläger selbst. Deshalb fordert Jesus sie heraus, indem er denjenigen ohne Schuld auffordert, den ersten Stein zu werfen.
Jesus erfüllt das Gesetz und ist gleichzeitig barmherzig. So folgt er dem Vorbild seines Vaters Josef. Am Kreuz wird dies noch deutlicher. Jesus erfüllt mit seinem Opfer die Forderung des Gesetzes gegenüber uns Sündern. Und gleichzeitig erweist sich in diesem Opfer seine Gnade und Barmherzigkeit uns gegenüber, weil wir durch seinen Tod mit Gott versöhnt werden! Am Kreuz treffen sich Gottes Gerechtigkeit und Gnade!
Wie sieht es in meinem Leben aus? Wie sieht es in deinem Leben aus? Wenn sich jemand gegenüber uns schuldig macht: Machen wir diese Schuld öffentlich? Stellen wir den Schuldigen bloß? Demütigen wir ihn und vergrößern seine Scham? Oder decken wir Schuld zu? Helfen wir anderen Menschen in ihrer Schande und Scham und tragen dazu bei, aus dieser Scham herauszukommen? Sind wir »gerecht« und gleichzeitig barmherzig wie Josef und noch vielmehr wie Jesus selber?
Die Offenbarung durch den Engel
Im Gesetz heißt es:
Ein einzelner Zeuge soll nicht gegen jemand auftreten wegen irgendeiner Ungerechtigkeit und wegen irgendeiner Sünde, bei irgendeiner Versündigung, die er begeht; auf zweier Zeugen Aussage oder auf dreier Zeugen Aussage hin soll eine Sache bestätigt werden.
Maria wird Josef immer wieder ihre Unschuld beteuert haben. Sie hat ihm vermutlich von dem Engel erzählt und dass das Kind vom Heiligen Geist entstammt. Aber Josef hat nur dieses eine Zeugnis von Maria. Kein anderer Zeuge war da, der die Schilderung Marias bestätigen kann. Deshalb plante Josef die Trennung von Maria.
Doch Gott greift in dieser Situation ein und sendet auch zu Josef einen Engel, der das Zeugnis Marias bestätigt. Damit ist die Forderung des Gesetzes erfüllt: »Auf zweier Zeugen Aussage hin soll eine Sache bestätigt werden«. Josef hat nun die Aussage von zwei Zeugen, dass seine Frau Maria unschuldig ist und ihn nicht betrogen hat sondern hier tatsächlich Gott am Werk ist. Josef fordert und sucht keine weiteren Beweise, Zeugnisse oder Gottesoffenbarungen mehr. Er glaubt dem Wort Gottes, das der Engel ihm im Traum überbringt. Auch in dieser Sache zeigt sich seine Gerechtigkeit und Treue gegenüber Gott und Seinem Wort.
Der Engel fordert Josef auf: »Nimm deine Frau zu dir, auch wenn das Kind nicht von dir ist. Nimm dieses Kind nach der Geburt als dein Kind an. Adoptiere es[1]. Zieh es groß und behüte es.« Und das hat Josef getan!
In der Bibel finden wir viele Beispiele von Menschen, zu denen Gott redet oder die Gottes Wundertaten gesehen und erlebt haben, und die dennoch nicht geglaubt haben. Eine Offenbarung von Gott macht Glaube nicht überflüssig. Ganz im Gegenteil. Aber Josef hat Gottes Reden gehört und den Worten Gottes geglaubt. Und sein Glaube hat sich darin geäußert, dass er dem Wort Gottes gehorcht und entsprechend seines Glaubens gehandelt hat. Der Schreiber des Hebräerbriefes unterstreicht diesen Punkt:
Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, wie auch jenen; aber das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war.
Hören alleine nützt nichts. Der Glaube muss das Gehörte annehmen und in die Tat umsetzen. Auch Jesus hat mehrfach gesagt: »Wer meine Worte hört und sie tut« (z.B. 7,24). So wie Josef ein gerechter Mann war, der gehört, geglaubt und getan hat, sollen auch wir Hörer, Gläubige und Täter sein!
Kannst du dem Wort Gottes, so wie wir es haben, vertrauen? Glaubst du diesem Wort und demjenigen, von dem es zeugt? Kannst du deinen Glauben in die Tat umsetzen und Schritte des Glaubens gehen? Unsere Offenbarung ist viel größer als die Josefs damals. Trotzdem oder gerade deswegen kann und soll uns Josefs Glaube ein Vorbild sein.
Gottes Wege sind unergründlich
Josef war ein gerechter und frommer Jude, der das Gesetz ernst nahm. Dies sehen wir an seinem Verhalten in dieser Situation. Als gläubiger Jude erwartete er den lange angekündigten Messias. Er wusste, dass dieser »der Same der Frau« (Gen 3,15) sein würde.
In dieser Verheißung findet sich bereits eine Andeutung auf die Jungfrauengeburt. Wer die Schriften intensiv studiert hatte, wartete auf einen, geboren von einer Frau aber nicht von einem Mann: der Same der Frau. Die Jungfrauengeburt ist ein absolut passender Weg, diese Prophezeiung vom Beginn der Menschheitsgeschichte zu erfüllen. Dies war vielleicht auch schon Josef nach seinem Traum klar.
Aber führen wir uns die Umstände nochmal vor Augen:
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Wir erfahren nicht das genaue Alter Marias, aber sie war ziemlich sicher sehr jung. Ein Teenagermädchen wird schwanger.
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Sie wird schwanger während ihrer Verlobungsphase als sie noch keinen Mann hätte erkannt haben sollen. Ein eheloses Kind.
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Das gebrochene Herz eines Verlobten, für den alles nach Untreue und Ehebruch ausgesehen hat.
Gott geht immer wieder sehr unerwartete Wege, um sein Volk zu erlösen. Auch das Kommen des Messias geschah auf eine Weise, mit der niemand gerechnet hatte und die die meisten Zeitgenossen als anstößig betrachteten. Darauf hat Matthäus uns in seiner Einleitung bereits vorbereitet .
Auf welchem ungewöhnlichen, überraschenden oder unerwarteten Weg hat Gott deine Erlösung und Befreiung bewirkt? Oder welche ungewöhnlichen Wege geht Gott gerade mit dir? Oder bist du bereit für außergewöhnlich Wege, die Gott noch mit dir gehen wird?
Quellenangabe
Diese Ausarbeitung basiert auf der Predigt The Advent of Matthew (04) – Joseph’s Faithfulness von Gregg Strawbridge, die auf wordmp3.com online verfügbar ist.