Jesus ist der Letzte Prophet
Jesus ist der von Mose angekündigte Prophet und steht in der Tradition der Propheten des Alten Testaments. Er ist der größte und der letzte Prophet dieser Art. Er handelt und redet daher ähnlich wie die Propheten des Alten Testaments aber in vollkommenerer Weise.
Bei den Propheten des Alten Testaments sehen wir oft Prophetien mit Mehrfach-Erfüllungen. (BEISPIELE XXX)
Dabei handelt es sich nicht um Doppeldeutigkeit sondern um Typologie. Die erste Erfüllung schafft ein Muster und einen Typus als Vorbild. Diese Muster und Typen wiederholen sich in der Geschichte und sind damit auch Erfüllungen der ursprünglichen Prophetie.
Gott ändert sich nicht. Er ist gestern, heute und morgen derselbe. Er ist konsistent in dem wie er handelt. In ähnlichen oder gleichen Situationen handelt er (in der Regel) auch ähnlich/gleich. Und da Gott in der Geschichte handelt, wiederholen sich dieselben Muster in der Geschichte Gottes mit uns Menschen immer weider. Gottes ist konsistent und damit auch Gottes handeln in der Geschichte. Dass heißt auch, dass wir in gewissem Maße mit Gottes Handeln rechnen und uns darauf einstellen können.
Es ist gut und wichtig, diese Gedanken grundsätzlich immer aber hier jetzt im Hinblick auf das letzte Gleichnis vom Scheiden der Schafe und Böcke im Hinterkopf zu haben.
Das Gleichnis vom Scheiden der Schafe und Böcke
Bisher habe ich den Standpunkt vertreten, dass die Gleichnisse in Kapitel 24/25 sich in erster Linie auf die Zeit des ersten Jahrhunderts bis 70n.Chr. beziehen. Mit diesem Gleichnis haben wir jetzt aber doch einen Punkt erreicht, wo diese These nicht mehr haltbar ist, oder? Dieses Gleichnis und seine Symbolik kann doch niemals im ersten Jahrhundert verortet sein! Das ist doch ganz klar Gleichnis, dass vom Letzten Gericht am Ende der Zeit handelt! Wir lesen doch immerhin vom Thron der Herrlichkeit (V31), von der ewigen Pein und ewigem Leben (V46). Wie also soll hier eine Erfüllung bzw. Verortung im ersten Jahrhundert möglich sein?
Wenn wir uns die Ausführungen über Prophetie und mehrfache, typologische Erfüllung in Erinnerung rufen, können wir auf jeden Fall gleich zu Beginn feststellen, dass wir in diesem Gleichnis auch das Letzte Gericht typologisch vorgeschattet sehen. Dies ist aber nicht der Hauptfokus des Gleichnisses, wie wir sehen werden.
Das Gleichnis leitet Jesus mit folgenden Worten ein:
Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron [der] Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet.
Diese Worte klingen, wie oben diskutiert, nach dem Letzten Gericht. Jesus hat an anderer Stelle im Matthäus-Evangelium zuvor schon einmal etwas ganz Ähnliches gesagt:
Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er jedem vergelten nach seinem Tun. Wahrlich, ich sage euch: Es sind einige von denen, die hier stehen, die [den] Tod nicht schmecken werden, bis sie den Sohn des Menschen haben kommen sehen in seinem Reich.
Die Formulierungen und Begrifflichkeiten sind in den beiden Stellen sehr ähnlich. Jesus spricht bei beiden Gelegenheiten davon, dass der Sohn des Menschen kommt mit seinen Engeln. Davon, dass dies in Herrlichkeit geschehen wird. In beiden Stellen redet Jesus vom Thron und einem Gericht. Das Gericht sieht in beiden Stellen unterschiedlich aus: in Matthäus 16 wird jedem nach seinen Werken vergolten, in Kapitel 25 dagegen werden Schafe und Böcke geschieden. Aber beide Stellen verbindet die Ankündigung eines Gerichts.
Das Richten, um das es hier geht ist ein königliches Richten. Das Sitzen auf einem Thron stellt uns einen König vor Augen. Die Aufgabe der antiken Könige war es, Recht zu sprechen und Gerechtigkeit zu schaffen. Beispielhaft wird uns dies anhand von König Salomo gezeigt, wenn in 1. Könige 3,16-28 zwei Frauen im Streit um ein Kind vor ihn treten und er der wahren Mutter zu ihrem Recht verhilft.
Wenn wir diese beiden Stellen also vergleichen, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass Jesus in beiden Fällen also von denselben Vorgängen spricht.
In Matthäus 16 erhalten wir eine weitere zusätzliche Information, die uns hilft, die von Jesus erwähnten und prophezeiten Geschehnissen zeitlich einzuordnen. Es heißt dort, dass einige hier den Tod nicht schmecken, bis dies alles geschehen würde. Von den zwölf Jüngern Jesu, mit denen Jesus in Matthäus 16 redet, werden also manche Ihn noch kommen sehen! Diese Geschehnisse müssen also auf jeden Fall noch innerhalb des ersten Jahrhunderts geschehen sein.
Aufgrund der starken inhaltlichen Übereinstimmungen von Matthäus 16 und 25 sollten und können wir davon ausgehen, dass auch Matthäus 25 im ersten Jahrhundert - noch zu Lebzeiten einiger der zwölf Jünger - verortet ist.
Hier die beiden Stellen nochmal zum Vergleich nebeneinander gestellt:
Mt 16,27 | Mt 25,31-32 |
---|---|
Denn der Sohn des Menschen wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er jedem vergelten nach seinem Tun. |
Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron [der] Herrlichkeit sitzen; und alle Nationen werden vor ihm versammelt werden, und er wird sie voneinander scheiden, so wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. |
Wann herrscht Jesus auf dem Thron?
Die entscheidende Frage ist nun also: Wann herrscht Jesus auf dem Thron, wie dies unter anderem in Matthäus 16 und 25 gesagt wird?
Es gibt noch einige Stellen, die das Sitzen-auf-dem-Thron thematisieren und anhand derer wir auch eindeutig sehen können, dass Jesus sich direkt nach der Himmelfahrt - also im ersten Jahrhundert - auf den Thron gesetzt hat und als König herrscht und richtet. Wir schauen uns nun zwei dieser Stellen an.
1. Korinther 15
Den ersten Text finden wir in 1. Korinther 15 ab Vers 22:
22 Denn wie in dem Adam alle sterben, so werden auch in dem Christus alle lebendig gemacht werden. 23 Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: [der] Erstling, Christus; dann die, [die] des Christus [sind] bei seiner Ankunft; 24 dann das Ende, wenn er das Reich dem Gott und Vater übergibt, wenn er weggetan haben wird alle Herrschaft und alle Gewalt und Macht. 25 Denn er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat. 26 Als letzter Feind wird der Tod weggetan.
Hier haben wir es mit einem Text in klarer, direkter Sprache zu tun. Es ist anders als zum Beispiel Daniel, Matthäus 24 oder die Offenbarung keine apokalyptische Sprache, die Paulus verwendet.
Paulus stellt uns hier die gesamte Menschheitsgeschichte von Jesu Auferstehung bis zum Letzten Gericht vor. Alles ist in diesen Versen enthalten. Dabei geht Paulus von einem Prozess aus, was die Herrschaft und Regentschaft Jesu angeht. Dieser Prozess hat mit der Himmelfahrt begonnen und endet, wenn Jesus zum zweiten Mal wieder auf diese Erde zurück kehrt. Dann wird der letzt Feind, der Tod, endgültig besiegt. Denn Jesus »muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße gelegt hat«. Er herrscht nicht erst, wenn das geschehen ist, sondern bis zu diesem Zeitpunkt. Wenn »alle Feinde unter seine Füße« gelegt wurden, wird er das Reich dem Gott und Vater zurückgeben.
Das Feinde-zu-seinen-Füßen-legen geschieht dabei während der ganzen Zeit von Jesu Herrschaft, die er nach seiner Himmelfahrt angetreten hat. Das ist es auch, worauf Jesus sich in Matthäus 25,31-32 und dem folgenden Gleichnis bezieht.
Das Kommen in Matthäus 16 und 25 unterscheidet sich von dem Kommen hier in 1. Korinther 15. Hier in Korinther ist Jesu Zweites Kommen zum Letzten Gericht am Ende der Zeit gemeint. Das Königreich gibt er dann seinem Vater zurück. In beiden Stellen in Matthäus redet Jesus von einem Kommen, bei dem er den Platz auf dem Thron überhaupt erstmal einnehmen wird. Dort bekommt er das Königreich von dem Vater. Dazu später mehr.
Psalm 110
Der zweite Text ist Psalm 110:
1 Von David, ein Psalm. Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde hinlege als Schemel für deine Füße!
2 Den Stab deiner Macht wird der Herr aus Zion senden; herrsche inmitten deiner Feinde!
3 Dein Volk wird [voller] Willigkeit sein am Tag deiner Macht; in heiliger Pracht, aus dem Schoß der Morgenröte [wird] dir der Tau deiner Jugend [kommen].
4 Geschworen hat der Herr, und es wird ihn nicht reuen: »Du bist Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedeks!«
5 Der Herr zu deiner Rechten zerschmettert Könige am Tag seines Zorns.
6 Er wird richten unter den Nationen, er füllt [alles] mit Leichen; das Haupt über ein großes Land zerschmettert er.
7 Auf dem Weg wird er trinken aus dem Bach, darum wird er das Haupt erheben.
Dies ist ein wichtiger Text, wenn wir über das Königreich und die Königsherrschaft Jesu nachdenken. Außerdem ist es einer der meistzitierten Texte des Alten Testaments im Neuen Testament. Petrus zum Beispiel zitiert den ersten Vers von Psalm 110 in der ersten christlichen Predigt an Pfingsten. Bei dieser Predigt ging es ihm darum, dass die Menschen ganz genau verstehen und wissen, wer Jesus ist.
32 Diesen Jesus hat Gott auferweckt, wovon wir alle Zeugen sind. 33 Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dies ausgegossen, was ihr seht und hört. 34 Denn nicht David ist in die Himmel aufgefahren; er sagt aber selbst: »Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, 35 bis ich deine Feinde hinlege als Schemel deiner Füße.« 36 [Das] ganze Haus Israel wisse nun zuverlässig, dass Gott ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.
Petrus stellt hier fest, dass David mit »meinem Herrn« in Psalm 110,1 von Jesus meint. Psalm 110 handelt von Jesus! Jesus ist »Herr«. Und offensichtlich geht Petrus ebenfalls davon aus, dass Jesus sich bereits zum Zeitpunkt seiner Predigt zur Rechten Gottes gesetzt hatte. Jesus hatte an Pfingsten seine Herrschaft bereits angetreten.
Psalm 110 wird auch in Hebräer 10 zitiert:
Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße.
Der Schreiber des Hebräerbriefes macht es nochmal ganz deutlich. In Psalm 110 geht es um Jesus. Und so wie er Psalm 110 hier in den Kontext setzt, wird klar, dass das Kreuz, die Himmelfahrt und das Setzen auf Thron den alles bereits geschehen ist und Jesus seitdem darauf wartet, dass Seine Feinde als Schemel seiner Füße hingelegt werden. Zur Zeit der Abfassung des Hebräerbriefes saß Jesus bereits auf dem Thron!
Wir verstehen den Vers 1 in Psalm 110 heute oft so, dass Jesus den Thron am Ende der Zeit besteigt, wenn bzw. nachdem er alle Feinde unterworfen hat. Aber das ist nicht, was in Psalm 110 tatsächlich steht. Er sitzt auf dem Thron bis alle seine Feinde unterworfen sind. Danach gibt er das Königreich dem Vater zurück, wie wir in 1. Korinther 15 gesehen haben.
Vers 2 unterstreicht dies nochmal ganz deutlich: »herrsche inmitten deiner Feinde!« Wenn Jesus den Thron besteigt und die Königsherrschaft antritt, ist er noch umringt von Feinden. Er herscht »inmitten« seiner Feinde. Es sind noch nicht alle Feinde besiegt. Die Unterwerfung Seiner Feinde ist teil von Jesu Königsherrschaft. Aber warum besiegt Jesus seine Feinde nicht in einem Augenblick innerhalb eines Wimpernschlags? Er könnte das ganz sicher tun. Aber er ist langmütig und gnädig und gibt Raum und Zeit zur Buße. Er ist gekommen, um zu retten, nicht um zu vernichten und zu zerstören. Dies sehen wir doch auch immer wieder in Gottes Handeln mit seinem Volk im Alten Testament und zuletzt mit der Generation, die Jesus verworfen hat.
Der »Schemel deiner Füße«
Das in Vers 1 mit Schemel übersetzte Wort wird an anderen Stellen auch mit Gnadenthron übersetzt. So wurde auch der Deckel der Bundeslade genannt. Wenn David also von dem »Schemel seiner Füße« spricht, schafft er damit starke Assoziationen mit der Bundeslade. Ein Beispiel für die Synonymität von Schemel und Bundeslade finden wir in 1. Chronik:
Und der König David erhob sich auf seine Füße und sprach: Hört mich, meine Brüder und mein Volk! Ich hatte in meinem Herzen, ein Haus der Ruhe zu bauen für die Lade des Bundes des Herrn und für den Schemel der Füße unseres Gottes; und ich schickte mich an zu bauen.
Der Gnadenthron war der Ort, an den am Großen Versöhnungstag das Blut hingesprenkelt wurde, um Sühnung für die Sünde des Priesters und des Volkes zu schaffen. Davon lesen wir in Leviticus:
Und er schlachte den Bock des Sündopfers, der für das Volk ist, und bringe sein Blut innerhalb des Vorhangs und tue mit seinem Blut, so wie er mit dem Blut des Stieres getan hat, und sprenge es auf den Deckel und vor den Deckel; und er tue Sühnung für das Heiligtum wegen der Unreinheiten der Kinder Israel und wegen ihrer Übertretungen, nach allen ihren Sünden; […]
Der Gnadenthron bzw. Schemel war auch ein Ort der Anbetung. Diese Assoziation finden wir in den Psalmen:
Erhebt den Herrn, unseren Gott, und fallt nieder vor dem Schemel seiner Füße! Heilig ist er.
Der Gnadenthron ist außerdem auch ein Bild der Erde, wie wir bei Jesaja erfahren:
So spricht der Herr: Der Himmel ist mein Thron, und die Erde der Schemel meiner Füße.
Die Möbel im Heiligtum und im Allerheiligsten stehen bildhaft für Himmel und Erde. Dass heißt, dort treffen Himmel und Erde aufeinander. Gottes Thron steht real im Himmel. Aber seine Füße ruhen auf dem »Schemel seiner Füße«; das ist die Bundeslade, die im Allerheiligsten auf der Erde steht. Die Bundeslade ist als Fußschemel Teil von Gottes Thron und verbindet so die Erde mit dem Himmel und wird zum Ort der Begegnung zwischen Mensch und Gott. An diesem Ort wurde das Blut vergossen, um Sühnung und Versöhnung zu schaffen. Symbolhaft steht so der Gnadenthron oder Schemel für die Erde in ihrer Gesamtheit. Die ganze Erde ist Gottes Schemel.
Jesus wurde am Kreuz an unserer Stelle geopfert und hat sein Blut vergossen, um unsere Sünden zu sühnen. Sein Blut floss auf die Erde am Fuße des Kreuzes. Also können wir – die oben beschriebene Symbolik aufgreifend – sagen, dass Jesu Blut am Gnadenthron zu den Füßen Gottes vergossen wurde. Das Kreuz wurde so zum Ort, wo die Sünde ein Ende hat und die Gnade beginnt. Es ist seitdem der Ort, an dem Gott dem Menschen begegnet und sagt: »Betet mich hier an«.
Wenn David im Psalm nun schreibt, dass die Feinde zum Schemel von Jesu Füße gemacht werden sollen, meint der damit nicht, dass alle Feinde vernichtet und zerstört werden sollen. Dieser Ausdruck meint ganz im Gegenteil, dass die Feinde Gottes – das sind nach Römer 5,6-10 alle Menschen vor ihrer Erlösung – zu Anbetern vor dem Gnadenthron gemacht werden sollen; an dem Ort, an dem die Gnade beginnt. Alle, die jetzt noch in feindschaft mit Gott leben, sollen zu Jüngern gemacht werden.
Nur wenn ein Mensch sich dauerhaft und endgültig disem Ruf der Gnade und zur Nachfolge widersetzt, Jesus nicht als Herrn anerkennt und wer sein Herz verhärtet, der wird letzten Endes gerichtet werden. Das Gericht wird ihn hier auf der Erde in der Zeit und Geschichte treffen. Und – viel schlimmer und tragischer – er wird im Letzten Gericht nicht bestehen und in Ewigkeit gerichtet werden.
Wir können diese Logik auch auf Völker und Nationen übertragen. Wenn ein Volk sich dem Wort Gottes widersetzt, wird es in der Geschichte gerichtet werden.
Jesus hat den Thron nach seiner Himmelfahrt bestiegen und richtet seitdem Menschen und Nationen.
Priester nach der Weise Melchisedeks
In Vers 4 des Psalms wird über den Jesus gesagt, dass er »Priester […] nach der Weise Melchisedeks« ist. Das lesen wir auch in Hebräer 5:
[U]nd, vollendet worden, ist er allen, die ihm gehorchen, [der] Urheber ewigen Heils geworden, von Gott begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks.
Wenn wir uns nochmal Hebräer 10,12 (siehe oben) und den Großen Versöhnungstag aus Leviticus in Erinnerung rufen, kommen wir zu folgendem Gesamtbild: Jesus ist unser Hoherpriester, der das Blut des Opfertieres zur Sühnung der Sünden vor den Gnadenthron gebracht hat. Und gleichzeitig ist Jesus selbst auch das Opfer, durch welches diese Sühnung geschaffen wurde. Jesus wurde in der Zeit auf der Erde während seines ersten Kommens Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks. Nachdem er sich selbst als Opfer für die Sünden dargebracht hat, hat er sich anschließend zur Rechten Gottes gesetzt. In Hebräeer 5 lesen wir, dass Gott Jesus als den Hohepriester begrüßt. Er wurde also nicht erst bei seiner Thronbesteigung Hohepriester.
Hier gehen also zwei Dinge Hand in Hand: Jesus ist der Hohepriester, der für uns eintritt, und er sitzt auf dem Thron, um inmitten seiner Feinde zu herrschen. Jesus ist in gleichem Maße Hohepriester wie er gleichzeitig König ist und auf dem Thron sitzt, um zu herrschen. Wenn wir also das eine abstreiten, verneinen wir auch das andere. Wenn wir abstreiten, dass Jesus seit seiner Himmelfahrt bis zum heutigen Tag und bis zu seiner Rückkehr als König herrscht inmitten seiner Feinde, dann verneinen wir gleichzeitig, dass er unser Hohepriester ist. Und damit sagen wir auch, dass er als unser Hohepriester uns nicht von unseren Sünden gereinigt hat!
Er wird unter den Nationen richten
Vers 6 von Psalm 110 sagt, dass Jesus »richten [wird] under den Nationen«. Wann ist das passiert? Als er sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, um inmitten seiner Feinde zu herrschen. Schauen wir uns nochmal Hebräer 10,12-13 an:
Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße.
Jesus sitzt zur Rechten Gottes und wartet, bis seine Feinde hingelegt sind. Seitdem beurteilt und richtet Jesus die Nationen. In dieser Zeit ist dieses Richten unvollkommen und unvollständig. Das Böse und die Sünde sind noch nicht endgültig besiegt und hinweggetan. Erst im Letzten Gericht wird das Gericht vollkommen und vollständig sein und ein perfekter Zustand erreicht werden. Aber das Letzte Gericht ist nicht der Zeitpunkt, an dem dieses Richten beginnt. Jesus richtet diese Welt seit seiner Himmelfahrt.
Die Feinde werden zerschmettert
In Vers 6 des Psalms lesen wir davon, dass der Herrscher in seinem Richten alles mit Leichen füllen wird und das Haupt, also den Herrscher, eines großen Landes zerschmettern wird. Was für eine Art von Gericht wird dort beschrieben? Sind solche Dinge das Letzte Gericht? Nein, hier wird ein irdisches Gericht an Völkern und Nationen beschrieben. Im Gegensatz dazu lesen wir an anderen Stellen der Bibel von ewiger Pein und ähnlichem. Die Flut zur Zeit Noahs war eine schlimme Katastrophe mit weitreichenden Folgen für die gesamte Menschheit. Trotz allem war es ein irdisches, zeitlich begrenztes Gericht, welches jedoch das Letzten Gericht vorausgeschattet hat.
So können wir schon in Psalm 110 sehen, dass es bereits in dieser Zeit und hier auf der Erde Gericht nach sich zieht, wenn man Jesus verwirft. Später kommt dann das endgültige Gericht in Ewigkeit.
Zusammenfassung
Fassen wir also nochmal alles kurz zusammen. In Matthäus 25,31-32 sehen wir Jesus als König, der gerecht urteilt und die Nationen richtet. Dies ist ein Prozess, der nach der Himmelfahrt Jesu begonnen hat. Das Gericht an Israel im Jahr 70 n.Chr. war der erste Fall einer Nation, die gerichtet worden ist. Damit hat Jesus seine Herrschaft und Macht bestätigt. Und seitdem geschieht dieses Richten kontinuierlich in der Geschichte bis zum Zweiten Kommen Christi. Wie ich zu Beginn erläutert habe, ist in diesem Richten das Letzte Gericht typologisch antizipiert; die Geschichte wiederholt sich. Und das Letzte Gericht wird dieses Richten zum vollkommenen Abschluss bringen.