In Daniel 10-12 lernen wir, wie Gott Geschichte schreibt und wie er sich den Menschen offenbart und den Menschen sich selbst. In diesen drei Kapiteln offenbart Gott Daniel den Verlauf der Geschichte bis zum Kommen seines Messiahs. Dabei stehen drei Könige im Mittelpunkt, deren Beschreibung in zwei „Tod und Auferstehung“ Motive eingebettet sind:
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A Tod und Auferstehung Daniels (Vv. 10,1-11,1)
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B Werdegang des siegreiche Königs (Vv. 11,2-20)
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C Werdegang des zornigen Königs (Vv. 11,21-35)
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B' Werdegang des gottlosen Königs (Vv. 11,36-45)
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A' Tod und Auferstehung des Volkes (Vv. 12,1-13)
Die Juden sind in der letzten Vision nicht mehr das exklusive Zentrum von Gottes Aufmerksamkeit. Stattdessen dienen die Juden in einem internationalen Kontext, der Oikumene. Gottes Engel kämpfen mit anderen Nationen, während Gott alles von über den Wassern aus überblickt. Daniels letzte Vision ist schwer zu verstehen, weil mehrere Könige über einen Zeitraum von einigen hundert Jahren beschrieben werden, ohne dass deren Namen genannt werden. Zudem wird der Text durch unsere deutschen Verseinteilungen an einigen Stellen falsch gruppiert sowie einige hebräische Worte mit unterschiedlichen deutschen Wörtern übersetzt, was zwar den Lesefluss zu verbessert, den Text jedoch nicht leichter zu verstehen macht.
Daniels letzte Vision gibt uns einen Einblick in Gottes Art und Weise Geschichte zu schreiben. Die Bibel ist voll von Motiven, die uns in abgewandelter Form immer wieder begegnen. Eines davon ist in der folgenden Tabelle ersichtlich: Die drei großen Sünden zur Zeit der Patriarchen wiederholen sich in der Geschichte Israels.
Garten, Land, Welt | Stamm, Nation, Oikumene |
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Adam im Garten: Revolte gegen Gott (Sünde gegen den Vater) |
Mose bis David (Stamm): falsche Anbetung (Sünde gegen den Vater) |
Kain und Abel im Land: Brudermord (Sünde gegen den Sohn/Bruder) |
David bis Exil (Nation): Unterdrückung der Geschwister (Sünde gegen den Sohn/Bruder) |
Seths Linie in der Welt: Mischehe (Sünde gegen den Heiligen Geist) |
Nach dem Exil (Oikumene): Mischehe (Sünde gegen den Heiligen Geist) |
Auch die Erfüllung von Daniels Vision – die Ereignisse sind entsprechend zuordenbar, wie wir später sehen werden – ereignet sich dementsprechend. Die Geschichte wiederholt sich zyklisch und wird dabei verändert und erweitert. Daniels letzte Vision ist eine Wiederholung der Geschichte Israels in einem größeren Maßstab, wie in der nachfolgenden Tabelle gegenübergestellt wird:
Israel | Oikumene (Dan 11) |
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Vereinigtes Königreich unter David und Salomon. |
Vereinigtes Königreich Griechenland. |
Teilung des Königreichs durch Jeroboam, ausgehend aus dem Süden (Juda). |
Teilung der griechischen Oikumene in Nord- und Südreich, ausgehend aus dem Süden. |
Kriege zwischen Juda und Israel. |
Konflikte und Kriege zwischen Nord- und Südreich. |
Gräuel der Verwüstung (vgl. Hes 8-11). |
Sakrileg („Gräuel der Verwüstung“), das zu einem Gericht über den Tempel und die Juden führt. |
Exil, aber Hilfe durch Hesekiel und Daniel. |
Exil, aber Hilfe der Gerechten während des Gerichts. |
Belshazzar, ein gottloser König nach Nebukadnezar. |
Ein gottloser König wird König der Juden, ein Kleines Horn unter römischer Herrschaft. |
Kyros, ein gottesfürchtiger König nach Belshazzar. |
Der Fürst Michael (Jesus). |